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Der Abgesang einer Pegida-Kultfigur

Fast ein Jahr lang begeisterte ein gewisser Dr. Alfons Proebstl die Rechtspopulisten. Nun ist er enttarnt – und bereut seine fremdenfeindlichen Sprüche.

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© Rutply-TV

Von Ulrich Wolf

Auf dem kleinen Bühnenwagen von Pegida tut sich was am 6. April dieses Jahres. Es ist Ostermontag. Der übliche Marsch ist beendet, Tausende warten auf die Schlussrede von Gründer Lutz Bachmann. Doch der kündigt einen Überraschungsgast an: „So, liebe Freunde, wir begrüßen Dr. Alfons Proebstl!“ Johlen, Applaus.

Doktor wer? All jene, die nicht die Einträge auf der Facebook-Seite von Pegida verfolgen, wissen mit dem Namen Proebstl kaum etwas bis gar nichts anzufangen. Dabei ist der Mann bis zu jener Zeit im April längst zu einem deutschen Internetstar gereift. Auf Youtube finden sich fast 90 Auftritte von ihm, in der Regel sind sie fünf bis zehn Minuten lang. Manche Filmchen haben bis zu 80 000 Klicks.

Zu sehen ist immer ein scheinbar alter Mann in einem scheinbaren Wohnzimmer. Links ein Tischchen mit Wein, rechts drei Benzinkanister, in der Mitte sitzt Dr. Proebstl in einem schweren Lehnstuhl. Mit österreichischem Akzent sagt er Sätze wie: „97 Prozent der Flüchtlinge sind keine.“ Oder: „Eine Befragung hat ergeben, dass 70 Prozent der absichtlich einreisenden Afrikaner schon einmal eine Frau vergewaltigt haben.“ Kurzum: Was der Mann da verbreitet, ist Wasser auf die Mühlen all jener Pegida-Mitläufer, die Fremdenfeindlichkeit, Hass und Hetze beklatschen.

Auch am 6. April. Bachmanns Helfer geben sich alle Mühe, den Bühnenwagen wie das Wohnzimmer von Proebstl im Video aussehen zu lassen. Der schwere Lehnstuhl, der Wein – nur die Benzinkanister fehlen. Dafür prangt im Hintergrund der Slogan „Stoppt die Islamisierung Europas“ samt Werbung für den rechtsideologischen Internet-Blog Political Incorrect.

Bachmann kniet vor Proebstl nieder, hält ihm das Mikrofon hin. Der grantelt einen Text, liest von einem Notebook ab, nennt Flüchtlinge „Invasoren“ und bezeichnet Deutschland als „Weltmeister im Import von Asylanten“. Der von den Dresdner Massen nicht minder verehrte Pegida-Organisator lächelt derweil wie trunken vor Glück, die Menschen jubeln, zum Abschluss bittet der Gründer zum „Gruppenfoto des Orgateams mit dem Doktor“.

Ein halbes Jahr später ist klar: Der Pegida-Star ist eine Kunstfigur, in Wirklichkeit mit 50 Jahren gar nicht so alt. Er trägt bei seinen Auftritten eine Latexmaske. Er heißt auch nicht Alfons Proebstl, sondern Percy Hoven. Der hat unter anderem im Jahr 2000 die erste Staffel der Fernsehshow Big Brother moderiert.

Hoven wohnt in der Nähe von Augsburg, und so ist es der Augsburger Allgemeinen zu verdanken, dass Proebstls wahre Identität aufflog. „Ich bin enttarnt, damit bin ich raus“, erklärte Hoven der Zeitung. Und sagt zu seinem Auftritt bei Pegida: „Das war ein großer Fehler, den ich zutiefst bedaure.“ Als Dr. Proebstl werde er nicht mehr auftreten. Es sei als Satiriker nie seine Absicht gewesen, zu hetzen. „Dass dies so aufgefasst werden konnte, dafür entschuldige ich mich in aller Form.“

Ist das glaubwürdig? Hoven hat jedenfalls all die Stereotypen und Vorurteile immer wieder bedient, die Pegida-Anhänger bis heute für bare Münze nehmen. Er habe diese nur satirisch entlarven wollen, schreibt Hoven, der sein Abitur am Jesuitenkolleg in St. Blasien im Schwarzwald machte, in seiner Stellungnahme.

Sein Vater drehte in den 1950er- und 1960er-Jahren Dutzende Filme, darunter so bekannte wie „Im weißen Rössl“. Durchaus mit Erfolg trat der Sohn in die Fußstapfen. Die Rolle als Dr. Proebstl aber brachte ihm Ruhm ein, auf den er gern verzichten würde: Die rechte Meinungsmache der Kunstfigur entspreche „in keinster Weise“ seiner persönlichen Überzeugung, beteuert er.

Lutz Bachmann dürfte das Proebstl-Lächeln vergangen sein. Zur Distanzierung Hovens von Pegida äußerte er sich trotz Anfrage bisher nicht.