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Der Abfallflüsterer mit dem Riesenbauch

Ein neues Hybridauto könnte die Müllbeseitigung revolutionieren. Jetzt fährt ein Prototyp durch Sachsen – im Kreis Meißen.

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© Claudia Hübschmann

Von Dominique Bielmeier

Es klingt ein wenig wie eine Straßenbahn und sieht aus wie eine Kreuzung aus Schulbus und Lkw mit einem riesigen, waagerechten Zylinder in der Mitte: Das „4-Achs-Dual-Power“ ist das neue Hybrid-Müllauto in der Flotte der Niederauer Recyclingfirma Neru. Im Recyclingpark in Gröbern wurde der Vierachser jetzt offiziell in Betrieb genommen.

Dabei sammelt das dieselelektrische Fahrzeug längst den Abfall im Landkreis ein – und das deutlich leiser als gewöhnliche Müllautos. Bei der Demonstration in Gröbern bewegte es sich nur mit einem leisen Surren vorwärts, ähnlich einem Fahrrad-Dynamo. Die Technik des Einladens funktioniert wie bei einem gewöhnlichen Müllauto: Die Tonnen müssen per Hand hinter das Fahrzeug gebracht und dort befestigt werden. Das Kippen übernimmt dann die Technik.

Viel zu kippen hatte der Hybrid bei der Präsentation aber nicht: Die dafür genutzten Tonnen waren leer. Trotzdem rotierte die Drehtrommel in der Mitte, als gäbe es Müll zu verteilen. Manche Leute hätten sich schon nach dem neuen Gefährt erkundigt, sagte Neru-Geschäftsführer Peter Venner. Weniger Krach bedeutet nicht nur für lärmgeplagte Stadtbewohner weniger Stress. Auch die Fahrer genießen die ungewohnte Ruhe. Die Arbeit mit dem Hybriden sei sehr angenehm, bestätigte der junge Fahrer. Geschäftsführer Venner erzählte von einem Aufenthalt in den USA, wo er erstaunt sah, dass Müllautos erst bei weniger Verkehr am Abend „wie Heuschrecken“ über die Städte herfielen – dann aber trotzdem mit einigem Krach. Mit dem Hybriden, der nun im Landkreis unterwegs ist, wäre ein späteres Einsammeln auch bei uns irgendwann denkbar.

Dabei reduziert er nicht nur Lärm, sondern auch Kosten: Ein gewöhnliches Müllauto verbrauche auf 100 Kilometern durch das ständige Anhalten und Anfahren rund 350 Liter Diesel, erklärte Projektleiter Rolf Meyer. Der Hybrid brauche nur etwa 200 Liter. Durchschnittlich könne man mit dem Fahrzeug bis zu 30 Prozent Sprit einsparen. Die Ersparnis ist möglich, da das Auto die Bremsenergie zum Aufladen der Batterie nutzt. Da weniger Diesel auch weniger Kohlendioxid bedeutet, wird die Entwicklung von elektrisch betriebenen Entsorgungsfahrzeugen von der Bundesregierung gefördert. Das Programm „Schaufenster Elektromobilität“ finanziert den Einsatz von zwei Prototypen im Kreis mit rund einer halben Million Euro, erklärte Veit Steinle vom Bundesverkehrsministerium. Neben dem 4-Achs-Dual-Power ist zurzeit noch ein Drei-Achser unterwegs, der mit Diesel fährt, aber einen elektrischen Aufbau hat. Weil der über eine Steckdose aufgeladen werden kann, wird er auch „Plug-in“- oder Steckdosen-Hybrid genannt.

Dass bald mehr solcher Müllautos auf den Straßen unterwegs sein werden, steht längst nicht fest. Noch seien die neuen Fahrzeuge nicht serienreif, Steigungen könnten zum Beispiel Probleme bereiten, die Auslastung der Touren müsse optimiert werden, so Projektleiter Meyer.

Vor allem sind die Flüsterautos noch nicht wirtschaftlich, da sie einfach zu teuer sind. Und ihre größte Stärke könnte sogar zum Problem werden – dann , wenn die Autos beim Einsatz gar nicht mehr gehört werden. Meyer erzählte von elektrischen Reinigungsfahrzeugen, denen in den Straßen kein Platz gemacht wurde, weil die anderen Autofahrer sie überhaupt nicht bemerkten. Und eine Klingel anbringen, das wollten die Entwickler dann auch nicht.