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Den Lenzern stinkt’s nicht mehr

In der Tierkörperbeseitigungsanstalt in der Nähe von Großenhain werden seit 1942 tote Tiere entsorgt. Die Zeiten, in denen unerträglichen Kadavergeruch über den Ort zog, sind lange vorbei.

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© Anne Hübschmann

Von Manfred Müller

Lenz. Die Zeiten, in denen die Lenzer Tierkörper- beseitigungsanstalt (TBA) die ganze Gegend mit einem unerträglichen Kadavergeruch überzog, sind lange vorbei. Seit nunmehr 20 Jahren steht in der Hopfenbach-Aue eine technisch hochwertige Anlage mit einer aufwendigen Abluftreinigung. An die 120 000 Kubikmeter Luft werden täglich aus den TBA-Hallen abgesaugt, durch eine Waschanlage gepumpt und anschließend über einen großflächigen Biofilter wieder in die Umwelt entlassen. Da in den Hallen ständig ein leichter Unterdruck herrscht, gelangen selbst bei geöffneten Toren nur wenige Geruchspartikel in die Umgebung.

Lediglich, wenn es technische Probleme gibt, zieht mal eine „Duftwolke“ über Land, die man – je nach Windrichtung – in Lenz, Kottewitz oder Priestewitz riechen kann. Wer beim Tag der offenen Tür am Samstag eine Brise Abdeckereigestank schnuppern wollte, musste sich schon direkt in die Abluftwäscherei begeben.

Tote Tiere werden in Lenz schon seit dem Jahr 1942 entsorgt. Als während des Krieges der Großenhainer Flugplatz erweitert wurde, musste die alte Abdeckerei am Nasseböhlaer Weg weichen. Die Fleischmehl-Fabrikantentochter Martha Schleicher ließ etwas außerhalb des Dorfes eine neue Anlage bauen und leitete diese bis zum Jahr 1972. Danach wurde die Abdeckerei verstaatlicht und dem Dresdner Schlacht-Kombinat angeschlossen. Trotz der zwölf Jahre später erfolgten Rekonstruktion duftete die TBA weiter vor sich hin. Auch dann noch, als nach der Wende der Zweckverband für Tierkörperbeseitigung Lenz gegründet wurde, dem elf Landkreise aus Sachsen und Brandenburg angehörten. Im Jahr 1995 lief der Bestandsschutz für die Altanlage aus, sodass der Verband handeln musste. Insgesamt 25 Millionen Euro – teils aus der EU-Förderung, teils kreditfinanziert – wurden aufgewendet, um eine Tierkörperbeseitigung aufzubauen, die den europäischen Hygiene- und Umweltvorschriften entsprach. Aufgrund ihrer Kapazität und der hohen technischen Standards übernahm die Lenzer TBA nach und nach die Entsorgung für ganz Sachsen.

Besser als Kohle

Jährlich landen etwa 20 000 Tonnen tote Tiere in den Kesseln der Anstalt. Sie werden mit 22 Spezialfahrzeugen rund um die Uhr aus Landwirtschaftsbetrieben, Schlachthöfen, Zoos, aber auch aus Privathaushalten abgeholt. „Im Schnitt kommen pro Tag etwa 50 Rinder hier an“, erklärt TBA-Mitarbeiter Frank Seifert. „Die Tiere werden zunächst abgezogen – die Häute gehen in die Lederverarbeitung nach China.“ Danach werden die Kadaver in Brechern zerkleinert, bei 133 Grad gekocht und schließlich zu Tiermehl vermahlen. Das zweite Produkt, das bei dem Prozess anfällt, ist Fett. Beides wird seit einigen Jahren an Kraftwerke und Zementfabriken verkauft und landet in den Brennkammern. Tiermehl hat einen höheren Heizwert als Braunkohle. Das Fett kann auch in der betriebseigenen Heizanlage verbrannt werden.

Bis zum Jahr 2001 war Tiermehl noch ein begehrter Futterstoff in der Landwirtschaft. Dann kam die BSE-Krise, und das Mehl geriet in Verdacht, die Erreger der Seuche zu transportieren. Das Verfüttern wurde verboten und die Verbrennung angeordnet. Dadurch bekamen die TBAs allerdings ein finanzielles Problem. Sie konnten ihre Produkte nicht mehr zu guten Preisen absetzen, den Einnahme-Ausfall aber auch nicht komplett auf die Kunden umlegen. Deshalb mussten sie auf effektive Verarbeitungs- und Energiespartechnik setzen.

Lenz ist als Letzte von ursprünglich zehn sächsischen Tierkörperbeseitigungsanstalten erhalten geblieben. 55 Mitarbeiter sorgen dafür, dass nirgendwo im Freistaat ein Tierkadaver lange vor sich hingammelt. Gut anderthalb Millionen Kilometer legen die Spezialfahrzeuge des TBA-Fuhrparks jedes Jahr zurück – auch das kleinste Bergdorf an der tschechischen Grenze wird angesteuert.