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Dem Wolf auf der Spur

Für den Chef des Kreisjagdverbandes Meißen gibt es keinen Zweifel: Der Wolf dringt weiter vor, wurde auch bei Nossen gesichtet. Probleme machen aber andere Tiere.

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© Claudia Hübschmann

Von Marcus Herrmann

Landkreis Meißen. Zeit zum Ausspannen hat der ehrenamtliche Kreisjägermeister Karsten Schlüter auch an den Tagen nach Weihnachten kaum. Wenn die Jagd oder Treffen mit anderen Jägern rufen, dann macht sich der 54-Jährige, der sein Revier auf Nossener Flur hat, auf den Weg. „Entspannen kann ich aber auch im Wald. Indem ich Tiere beobachte, gucke, was sich draußen verändert“, so der Lehrer am Berufsschulzentrum Freiberg. In seiner Freizeit kümmert er sich um die Belange von derzeit etwa 180 Jägern. 2016 sind 15 dazu gekommen. Das Interesse steige wieder, so der Chef des Kreisjagdverbandes Meißen. Was ihn und seine Kollegen im letzten Jahr beschäftigte, ob der Wolf bald zum Problem wird und wie man der Waschbär-Plage Herr werden kann, sagt er im Interview mit der SZ.

Herr Schlüter, wie oft gehen Sie eigentlich pro Monat auf die Jagd?

Das ist unterschiedlich, je nachdem, wie sich die Population einer bestimmten Tierart entwickelt. Durchschnittlich würde ich sagen, ein- bis zwei Mal pro Woche. Pro Monat also mindestens viermal. Häufiger als zum Zweck der Jagd sind meine Kollegen und ich aber für Pflegearbeiten im Wald. Unsere Arbeit für die Natur ist vielschichtig. Die meisten neuen Bäume pflanzen wir Jäger selbst, kümmern uns außerdem um das Aufstellen von Brutkästen und auch um die Belange von Tieren, die nicht dem Jagdrecht unterliegen. Ich kann ohne Übertreibung sagen: Wir Jäger sind Naturfreaks.

Welche Tiere haben Ihnen und Ihren Kollegen 2016 das größte Kopfzerbrechen bereitet?

Ganz klar die sich sprunghaft vermehrenden Waschbären. Weder beim Schwarzwild noch bei Rehen, Füchsen oder Hasen ist ein derartiger Zuwachs zu verzeichnen gewesen. Vermehrt treten die aus Amerika stammenden Tiere auch in Ortslagen auf. Schlimm daran ist, dass sie nicht nur hier große Schäden anrichten, sondern auch in ökologische Nischen vordringen, die Bestände seltener Singvögel gefährden. Auch Enten und Reiher sind durch Waschbären stark gefährdet, da die Tiere sehr gut schwimmen können. Leider ist Sachsen das einzige Bundesland, dass sogenannte Totschlagfallen verboten hat. Somit ist es für uns sehr schwer, eine nachhaltige Lösung zu finden. Probleme mit Marderhunden, die sich in anderen Regionen stark vermehren, gibt es dagegen nicht. Im ganzen Jahr 2016 haben wir nur einen Marderhund geschossen.

Zuletzt gab es immer wieder nicht bestätigte Hinweise, dass ein Wolf bei Nossen gesichtet wurde. Was sagen Sie?

Ich bin sicher, dass sich mindestens ein Tier auf Nossener Flur bewegt. Es gibt auch mehrere Fotos, die das bestätigen. Wir vermuten, dass es sich um einen jungen Rüden handelt. Erst Mitte des Monats ist ein Wolf während einer Jagd bei Eula von Jägern gesichtet worden. Ich gehe davon aus, dass sich Beobachtungen häufen werden.

Der Wolf wird sich also weiter ausbreiten? Wird er 2017 etwa für Nutztierhalter zur unkalkulierbaren Gefahr?

Das glaube ich noch nicht. Man muss aber kein Prophet sein, um zu wissen: Die Population des geschützten Tieres wird weiter steigen. Da die Rudel irgendwo hin müssen, wird sich der Wolf neue Gebiete erschließen, auch urbane wie vom Menschen bewohnte Siedlungen. Das könnte natürlich auch zu Konflikten führen, etwa wenn es zu Schafsrissen kommt. Insgesamt denke ich aber nicht, dass es schon im nächsten Jahr zu vielen und schwerwiegenden Fällen im Kreis Meißen kommt.

Wie hat sich die Zahl der Wildunfälle 2016 im Vergleich zum Vorjahr entwickelt? Können Wildwarnreflektoren Unfälle wirklich verhindern?

Die Zahlen für 2016 sind noch nicht ausgewertet. Gefühlt sind es ähnlich viele Unfälle gewesen wie im Jahr davor. In meinem Revier in Deutschenbora zum Beispiel sind drei Rehe überfahren worden. Meistens sind es Sachschäden, die dabei entstehen, sehr selten passiert den Fahrern etwas Ernstes. Trotzdem kann ich nur an Autofahrer appellieren: Achtet mehr auf Wildwechselschilder. Aus meiner Erfahrung ist dieses Verkehrsschild das am meisten übersehene überhaupt. Die Warnreflektoren, die an Leitpfosten angebracht werden, wandeln das Scheinwerferlicht von Autos in blaues Licht, leiten es quer zur Fahrbahn um. Das erzeugt einen optischen Warnzaun für die Tiere, schreckt sie ab. Mit der Jagdgenossenschaft Nossen und in Abstimmung mit der Straßenmeisterei haben wir 150 davon in diesem Jahr befestigt. Weitere könnten sicherlich 2017 folgen.

Was sagen Sie zu Jagdgegnern, die in diesem Jahr auch bei Nossen Hochsitze beschädigt oder zerstört haben, die Arbeit von Jägern kategorisch ablehnen?

Gegen sachliche Kritik und Meinungsaustausch habe ich nichts. Aber Leute, die wie zuletzt in Mahlitzsch und Wunschwitz erlebt, Hochsitze aus einer verblendeten, undifferenzierten Ideologie heraus beschädigen, die werde ich nie verstehen. Die Hochsitze mussten entweder für viel Geld repariert oder entfernt werden. Die mutwillige Zerstörung ist eine Straftat. Mit Tierschutz hat das nichts zu tun. Wir Jäger sind dafür da, die Bestände von in der Natur bevorteilten Tieren in einem vertretbaren Rahmen zu halten, Landwirte vor Schäden zu bewahren. Darum, einfach nur Tiere zu erschießen, geht es uns nicht. Die meisten Leute wissen das auch, worüber ich froh bin.

Über welche seltenen Tiere konnten Sie sich zuletzt freuen, die im Kreis Meißen wieder heimisch geworden sind?

Neben mehreren Schwarzstorch-Paaren gibt es wieder Raubwürger oder auch Wiedehopfe in unseren Wäldern. Im Verlauf der Triebisch sind regelmäßig Eisvögel zu beobachten. Erfreulich ist auch, dass der lange verschwundene Steinkauz sich wieder vermehrt in unseren Wäldern blicken lässt.