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DDR-Recht im Mordfall Wunderlich

Als Heike Wunderlich starb, war die Wende noch in weiter Ferne. Nun soll der mutmaßliche Mörder nach dem Willen der Staatsanwaltschaft nach DDR-Recht bestraft werden.

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© dpa

Martin Kloth

Zwickau. Knapp 28 Jahre nach der Wende steht der Prozess zu einem Mord aus DDR-Zeit in Zwickau vor dem Abschluss. Nachdem der Angeklagte vor dem Landgericht am Mittwoch erstmals sein Schweigen gebrochen und jede Schuld im Mordfall Heike Wunderlich von sich gewiesen hatte, hielt die Staatsanwaltschaft als erste ihr Plädoyer. Sie forderte am 39. Verhandlungstag für Helmut S. eine lebenslange Freiheitsstrafe. In ihrem Schlussvortrag beantragte die Staatsanwaltschaft zudem die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld, was eine vorzeitige Haftentlassung erschweren würde.

Staatsanwältin Daniela Schramm begründete dies damit, dass mehrere Mordmerkmale vorlägen und die Tat „rücksichtslos, brutal und bestialisch“ gewesen sei. Wegen der Möglichkeit einer geringeren Strafe soll DDR-Recht zur Anwendung kommen. Danach sieht der Paragraf 112 des Strafgesetzbuches für Mord eine Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren oder lebenslänglich vor, der heutige Mordparagraf 211 ausschließlich eine lebenslange Haft.

Angeklagt ist ein 62-jähriger Mann aus Gera in Thüringen. Dem Frührentner wird zur Last gelegt, am 9. April 1987 die damals 18 Jahre alte Heike Wunderlich in einem Wald nahe Plauen im Vogtland vergewaltigt und erdrosselt zu haben. Motiv für die Taten sind laut Staatsanwaltschaft die Befriedigung des Geschlechtstriebes und die Verdeckung einer Straftat gewesen.

Zum Auftakt des 39. Verhandlungstages hatte Helmut S. jede Schuld bestritten. „Nee, ich war das nicht“, zitierten die Verteidiger ihren Mandanten. Der durch einen Schlaganfall eingeschränkte Angeklagte erklärte über seine Anwälte, das Opfer nicht gekannt zu haben. Auf Nachfrage des Vorsitzenden Richters bestätigte er die Richtigkeit der Angaben in der von seinen Anwälten verlesenen Erklärung.

Helmut S. blickte mit wachen Augen und halb geöffnetem Mund auf Oberstaatsanwalt Holger Illing, als dieser in seinem Schlussvortrag noch einmal zusammenfasste, was der seit Mitte Dezember laufende Prozess zu Tage gefördert hatte. Noch einmal erinnerte der Jurist an das Martyrium des Opfers, das brutal vergewaltigt worden ist.

Illing beschrieb, wie die 18-Jährige Textilfacharbeiterin durch Drosseln mit ihrem Slip, ihrem BH und einem Gepäckband aus Gummi von ihrem Moped langsam und qualvoll starb. Zu guter Letzt habe der Täter dem Opfer auch noch eine - nicht mehr auffindbare - Münze in die Scheide eingeführt.

Im Mittelpunkt seines Vortrags stand die DNA-Spur, die am Träger des BH in einem Knoten gefunden wurde und die dank verbesserter Analysemethoden zum Angeklagten geführt hatte. Dieser genetische Fingerabdruck stamme eindeutig von dem Angeklagten, sagte Illing. Mehr als 2500 Personen seien durch DNA-Vergleiche ausgeschlossen worden. Man komme an der Spur, verursacht vom Angeklagten, nicht vorbei, sagte der Oberstaatsanwalt. Auch die Ermittlungen in seinem Umfeld hätten nichts Entlastendes für Helmut S. erbracht. „Der Angeklagte war der Täter, und er hat einen Mord begangen“, folgerte Illing.

Der Prozess wird mit den Plädoyers der Nebenklage am kommenden Montag fortgesetzt. Nach derzeitigem Zeitplan könnte in der letzten Augustwoche ein Urteil gesprochen werden. (dpa)