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„Das war der Wolf“

Ein Rehkadaver hat am Montag für Aufregung in Spitzkunnersdorf gesorgt. Der Fundort ist gleich hinter dem Friedhof.

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© privat

Von Mario Sefrin

Der Verantwortliche für das nächtliche Geschehen am Ortsrand von Spitzkunnersdorf ist schnell ausgemacht. „Das war der Wolf“, da ist sich Werner Elßner sicher. Für den ehemaligen Jäger aus Spitzkunnersdorf deuten alle Anzeichen darauf hin, dass es sich hier um einen Angriff des Raubtiers gehandelt hat. „Ein Fuchs schafft das nicht, und wenn es streunende Hunde in der Gegend gäbe, wäre das schnell bekannt im Ort.“ Nein, das hier geht auf das Konto eines Wolfes, sagt Elßner.

Ausgeweidet und abgenagt liegt ein Rehkadaver auf einem Feld bei Spitzkunnersdorf, keine 50 Meter entfernt vom Friedhof. Ein Spaziergänger mit Hund hatte den Kadaver am frühen Montagmorgen auf dem Feld am Weg, der zur Forstenschanze führt, entdeckt. Das Reh muss in der Nacht zum Montag dem Angriff zum Opfer gefallen sein. Am Sonntagabend habe der Kadaver noch nicht auf dem Feld gelegen, erklärt Werner Elßner. Auch Andreas Arnold, dem Vorstandsvorsitzenden der Vermögensgemeinschaft Spitzkunnersdorf, die das Feld am Ortsrand bewirtschaftet, ist erst am Montag auf den Vorfall aufmerksam geworden. Er ist ebenfalls der Überzeugung, dass hier ein Wolfsriss stattgefunden hat. Ihn, selbst Begeher auf Jagd, wundert das nicht: „Es war nur eine Frage der Zeit, dass der Wolf auch zu uns kommt“, sagt Arnold. Schließlich hätten Jäger in der Vergangenheit immer wieder mal Wolfsbeobachtungen in der Gegend gemacht. Einen so offensichtlichen Fund wie den vom Montag habe es dagegen in der Umgebung aber noch nicht gegeben. Doch das erstaunt weder Werner Elßner, noch Andreas Arnold: „Es kann in der Umgebung durchaus schon Wolfsrisse gegeben haben“, so Werner Elßner. „Wenn das aber im Wald passiert, ist die Chance groß, dass Kadaver unentdeckt bleibt.“

Die Meldung vom Rehkadaver unweit des Friedhofs und auch des Spitzkunnersdorfer Kindergartens scheint am Montag jedenfalls schnell die Runde im Ort gemacht zu haben. Immer wieder kommen Einwohner den Weg entlang, bleiben stehen und schauen etwas ungläubig auf die Überreste des Rehs. Manche von ihnen haben aber auch schon eigene Beobachtungen gemacht und erzählen davon. „Ich habe vor wenigen Wochen selbst einen Wolf gesehen, der durch den Ort gelaufen ist“, ist eine ältere Spitzkunnersdorferin überzeugt. Anfang Januar ist das gewesen, eines Nachts kurz vor 23 Uhr. „Als ich aus dem Fenster geschaut habe, sah ich im Schein der Straßenlampe ein hochbeiniges Tier. Es kam von den Feldern und lief dann am Dorfbach entlang“, erzählt die Frau, die unweit der Kirche an der Dorfstraße wohnt. „Ich habe gleich an einen Wolf gedacht“, sagt sie. „Ein Fuchs konnte das nicht sein, und Schäferhunde, die dem Wolf ähneln, haben nicht so lange Beine.“

Nun wünschen sich die Spitzkunnersdorfer schnell Klarheit darüber, ob ein Wolf in der Umgebung ihres Ortes unterwegs ist oder nicht. „Der Rehkadaver sollte darauf untersucht werden, ob ein Wolfsangriff vorliegt“, sagt Werner Elßner. Doch das wird wohl nicht passieren, denn nach Rechtslage ist der Jagdpächter in einem solchen Fall für den Kadaver zuständig. So war es auch bei einem ähnlichen Fall vor etwa eineinhalb Wochen im kleinen Ort Streitfeld bei Lawalde. Auch dort hatte ein Wolf unweit des Dorfes ein Reh gerissen. Das getötete Reh wurde fotografiert und erfasst und danach entsorgt. Vor Abschluss der Bewertungen der Fakten könne laut Kontaktbüro „Wölfe in Sachsen“ in Rietschen aber nicht mit Bestimmtheit gesagt werden, ob es sich tatsächlich um einen Wolfsriss handelt. Allein anhand der Fotos könne das nicht zweifelsfrei festgestellt werden. Generell sei die Verfahrensweise so, dass ein Wildtierbeauftragter – ein geschulter Jäger – das getötete Wild vor Ort begutachtet, fotografiert und alles dokumentiert, teilt das Kontaktbüro mit. Die Bewertung, ob es sich um einen Wolfsriss handelt, wird vom Lupus-Institut für Wolfsmonitoring und -forschung in Deutschland vorgenommen.

„Der Fall eines Rehrisses in Spitzkunnersdorf ist uns bekannt“, erklärt Philipp Kob, Mitarbeiter vom Kontaktbüro „Wölfe in Sachsen“. Für Vor-Ort-Begutachtungen von Wildtierrissen sei das Büro aber nicht zuständig: „Wir als Kontaktbüro versuchen in einem solchen Fall, den Rissmeldern die zuständigen Ansprechpartner zu vermitteln“, so Philipp Kob. „Wir haben auch im Spitzkunnersdorfer Fall mit einem der örtlichen Jäger gesprochen und ihn über die Vorgehensweise bei einem Wildtierriss informiert.“ Der Rehkadaver lag am Montagabend noch auf dem Feld hinterm Friedhof. Laut Andreas Arnold von der Vermögensgesellschaft Spitzkunnersdorf sei bis zum späten Nachmittag niemand vor Ort gewesen, um sich um den Fund zu kümmern. „Wir haben den Kadaver mit Reisig abgedeckt, dass sich die Krähen nicht über ihn hermachen können“, so Andreas Arnold. „Wenn der Kadaver am Abend noch auf dem Feld liegt, entsorgen wir ihn selbst“, sagt er. Der für das Gebiet zuständige Jagdpächter ist darüber informiert worden und mit diesem Vorgehen einverstanden gewesen, erklärt Andreas Arnold.