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Das Vogtland als Wiege der Kartoffel wird wiederentdeckt

Aus Kartoffeln lässt sich viel machen. Eine neue Sorte soll dem Vogtland als Anbaugebiet Ehre machen und dessen Tradition hochhalten.

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© dpa

Claudia Drescher

Reichenbach. Kartoffeln sind sein Leben. Bei Namen wie „Vitelotte“, „Red Cardinal“ oder „Negra“ kommt Ulrich Gündel ins Schwärmen. Der Landwirt baut im vogtländischen Reichenbach auf fünf Hektar mehr als 130 seltene Sorten an. Seit Donnerstag ist es noch eine mehr: Die frisch von Kartoffelprinzessin Selina I. getaufte Züchtung „König Albert“.

Die Knolle wächst nun gleich neben der sogenannten „Vogtländischen Blauen“, der sie auch ihr Dasein verdankt. Denn die neue Sorte entstand rein zufällig, erklärt Gündel, der die Kartoffel im hofeigenen „Kulturstall“ als Entertainer auch regelmäßig zum Kulturgut erhebt.

Die Kreuzung aus einer 150 Jahre alten englischen Art und der heimischen Sorte mit blauer Schale ergibt demnach eine längliche Knolle mit gelbem Fruchtfleisch und roten Farbeinschlüssen. Mit dem würzig-mehlischen Aroma will ein Vier-Sterne-Haus in Bad Elster künftig die Anbautradition für seine Gäste im Vogtland pflegen.

Knackige Kartoffelchips, Schupfnudeln oder Ravioli hat Hotel-Chefkoch Josef Kloiber - einer der „Taufpaten“ der neuen Kartoffel - anhand einer ersten Probelieferung schon zubereitet. Bis zur ersten richtigen Ernte im Herbst wolle er noch etliche weitere Rezepte entwickeln, um die vogtländische Knolle kulinarisch in Szene zu setzen, verspricht Kloiber.

Doch den Kartoffelfans geht es um mehr als nur das Wohl der Gäste. „Das Vogtland ist definitiv das Gebiet in Deutschland, wo die Kartoffel zuerst auf dem Feld angebaut wurde“, erzählt Ulrich Wenzel. Der Vereinschef des Vogtländischen Knollenrings, der das Projekt ins Rollen brachte, beruft sich dafür auf historische Dokumente, die bis in das Jahr 1647 zurückreichten. Demnach hat der Verein in Archiven diverse Belege dafür gefunden, dass die Vogtländer die Knolle bereits rund 100 Jahre vor „Kartoffelkönig“ Friedrich II. von Preußen in den Acker brachten.

Der „Alte Fritz“ habe sich zwar darum verdient gemacht, die Kartoffel als eines der wichtigsten Nahrungsmittel in Deutschland etabliert zu haben, sagt Wenzel. „Aber die ersten Kartoffelbauern waren Vogtländer.“ Um das noch mehr in das Bewusstsein der Menschen zu rücken, habe sich der Knollenring vor rund zehn Jahren zusammengefunden. Neben der Erforschung der Anbaugeschichte kümmern sich die rund 30 Vereinsmitglieder um die Weitergabe ihres Wissens, zum Beispiel mit dem Kartoffel-Lehrpfad „Knollensteig“.

Weltweit gibt es Schätzungen zufolge rund 5 000 Kartoffelsorten. Laut Wenzel werden in hiesigen Supermärkten nicht viel mehr als eine Handvoll angeboten. Dabei schmecke jede Sorte anders, betont Knollenexperte Ulrich Gündel.

Bis 2004 habe er Kartoffeln lediglich als Hobbygärtner in die Erde gebracht. Inzwischen verkauft der Familienbetrieb laut Gündel in einem Hofladen und über das Internet rund 30 000 Tonnen im Jahr. Gefragt nach seiner Lieblingssorte gerät der 56-Jährige abermals ins Schwärmen. Das nussig-cremige Aroma einer Französin namens „La Bonnotte“ habe es ihm besonders angetan. (dpa)