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Das Mais-Experiment

Auf einem Feld in Oberlichtenau stehen neben übermannshohen, kräftigen Pflanzen mickrige Exemplare. Der krasse Gegensatz ist durchaus gewollt - es geht um ein polarisierendes Thema.

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© René Plaul

Manuela Paul

Oberlichtenau. Der Unterschied ist verblüffend. Kräftige, dunkelgrüne, übermannshohe Maispflanzen soweit das Auge reicht. Und mittendrin plötzlich mickrige, blaßgrüne Exemplare, die Wilfried Furchert – Chef der Lausitzer Hügelland Agrar AG – gerade einmal bis zur Hüfte oder Schulter reichen. Zwischendrin machen sich Hirse, Kamille, Gänsefuß, Knöterich und Co. breit.

Der krasse Gegensatz ist durchaus gewollt. Auf dem etwa 15 mal 15 Meter großen Areal haben die Gersdorfer Landwirte ein sogenanntes Spritzfenster angelegt. Eine Parzelle, die nicht mit Pflanzenschutzmitteln behandelt wurde. Kein chemischer Beistand gegen Unkraut, Pilze oder Schädlinge. „Mais hat wenig Konkurrenzkraft gegenüber der natürlichen Flora“, erklärt der Geschäftsführer. Er gehe im Kraut unter, wenn man nicht mit Hacke oder Chemie dagegen vorgeht. Genauso, wie es an diesem Feldweg in Oberlichtenau zu sehen ist.

Das Thema polarisiert

Ende Juni habe man bei der Feldrundfahrt die Landverpächter auch an dieser Stelle vorbeigeführt, erzählt er. Der Anblick habe sie schon ziemlich beeindruckt. Auch bei Facebook habe man die Aktion gepostet. Dafür auch negative oder unsachliche Feedbacks bekommen. Kein Wunder. Es geht um ein Thema, welches polarisiert, so der Vorstandsvorsitzende. Die einen sind für Unkrautbekämpfungsmittel, die anderen haben diesbezüglich ihre Ängste.

Das Experiment soll zeigen, dass Nutzpflanzen Schutz brauchen, erklärt Wilfried Furchert. Denn Unkräuter rauben ihnen Nährstoffe, Wasser und Licht. Pilze und Schädlinge machen sie krank. Ohne Pflanzenschutz würden die Ernteerträge drastisch sinken. Natürlich gehe es auch ohne Chemie.

Doch dann würde die Pflanzenproduktion erheblich teurer. „Zu DDR-Zeiten haben wir gehackt, um das Unkraut zu entfernen“, erinnert sich der promovierte Landwirt. Da habe es keine Herbizide gegeben. Drei sogenannte Hackmaschinen hatte der Betrieb, in dem er damals arbeitete. Neun Leute waren zwei Monate lang jeden Tag mit Unkraut hacken beschäftigt. „Aber da hatten die Betriebe auch nur einen Bruchteil der heutigen Anbaufläche.“

Heutzutage undenkbar. Die meisten Verbraucher wollen billige Lebensmittel. Der Preisverfall bei Agrarprodukten zwinge die Landwirte, die Produktion profitabel zu gestalten. Der Einsatz von Chemie gehört dazu. Allerdings verteile man die Mittel nicht nach Gutdünken auf den Feldern. Oder nach dem Motto: Viel hilft viel. Schließlich seien die Landwirte Profis, die wissen was sie tun, betont Wilfried Furchert.

Nur so viel Pflanzenschutz wie nötig

Deshalb bringen die Gersdorfer auch nur so viel Pflanzenschutz aus, wie nötig. Dank moderner Technik bekomme keine Pflanze mehr Chemie, als erlaubt. Die Spritzmaschinen seinen nämlich mit GPS ausgerüstet. Da wird jede Fahrt im Computer erfasst, erklärt der Geschäftsführer. Zunächst nimmt der Trecker die Umrisse des Feldes unter die Räder – so ein Acker sei schließlich nicht immer ein Rechteck, danach werden Längsbahnen gezogen. Muss die Maschine schräg reinfahren, werden – je nach Position des Gestänges – automatisch Teile der Spritzdüsen abgeschaltet, sodass es zu keiner Doppelbehandlung kommt. Um besagtes Spritzfenster anzulegen, habe der Maschinist auf dem dafür vorgesehenen Stückchen Acker alle Düsen abgeschaltet. Allerdings manuell.

Auch beim Säen könne man die Körnerzufuhr abstellen. Zum Beispiel um sogenannte Lerchenfenster anzulegen. Kleine vegetationsfreie Flächen mitten im Acker. Das brauchen beispielsweise die Feldlerchen – eine geschützte Vogelart – um sich orientieren zu können. Die Gersdorfer haben solche Areale angelegt. Genauso wie zusätzliche Blühstreifen – eine Forderung aus dem sogenannten Greening als Agrarumweltmaßnahme – um Bienen, Hummeln, Schmetterlingen und Co. Nahrung und Kleinlebewesen Lebensraum zu bieten.

Entlang der Straße nach Kamenz kann man die Sonnenblumen, die ein Weizenfeld einrahmen, weithin leuchten sehen. „Für uns Landwirte ist Artenschutz eigentlich eine Selbstverständlichkeit“, erklärt Wilfried Furchert. Aber ihre Hauptaufgabe sei es natürlich, gesunde Lebensmittel zu produzieren. Beides versuche man unter einen Hut zu bringen. Der Aufwand dafür sei allerdings nicht ganz ohne.