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Das ist der Wolf von Uebigau

Dass der Großenhainer Ortsteil von einem solchen Tier besucht wird, wirft Fragen auf. Auch die, ob es ihn überhaupt gibt.

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Von Catharina Karlshaus

Großenhain. Thomas Neumann hat es aus der Sächsischen Zeitung erfahren. Der Ortsvorsteher konnte am vergangenen Wochenende lesen, was viele Einwohner von Uebigau längst schon hinter vorgehaltener Hand flüstern: Er ist wieder da. Der Wolf, den die Ururgroßeltern noch in Wald und Wiese wussten, ist zurückgekehrt. Deutschlandweit, seit 1996 in der Oberlausitz beheimatet, immer mal wieder streunend durch die Region ziehend und nun offenbar als ständiger Besucher im Großenhainer Land angekommen.

Laut einem Uebigauer Jäger wurde er auch in Zabeltitz gesichtet.
Laut einem Uebigauer Jäger wurde er auch in Zabeltitz gesichtet. © privat

„Natürlich haben die Jäger immer mal davon erzählt, dass Fährten von ihm, beispielsweise am Spitalteich, gesichtet wurden. Aber direkt darauf angesprochen hat mich bis jetzt niemand“, bekennt Thomas Neumann. Auch er wüsste nur das, was ein Uebigauer Jäger im SZ-Gespräch erzählt hat. Bis auf 50 Meter habe sich der Wolf demnach bereits Spaziergängern genähert. Fast täglich sei er in den letzten beiden Wochen, zumeist am Vormittag und immer auf demselben breiten Feldweg an der Baumgrenze zu Uebigau, gesehen worden.

„Ich könnte ihnen auf Anhieb fünf Leute sagen, die das bestätigen können“, versichert der Jäger. Dass diese Dorfbewohner ihren Namen in der Zeitung ebenso wenig lesen wollen wie er, habe gute Gründe. Mit dem Thema Wolf mache man sich schließlich nicht nur Freunde. Wenn etwa Bedenken gegen seine Ausbreitung geäußert werden, über mögliche Gefahren für Mensch und Tier eher laut als leise diskutiert oder gar die ganze Wiederansiedlung infrage gestellt würde. „Da halte ich lieber meinen Mund. Was ich auf den Wildkameras und vor allem mit eigenen Augen gesehen habe, weiß ich aber ganz genau“, so der Jäger.

Ein Wissen, das er deshalb auch nicht mit jenen Fachleuten teilen will, die sich von Amts wegen damit beschäftigen. Torsten Peters von der Unteren Naturschutzbehörde etwa, der das „Wolfsmanagement“ im Landkreis Meißen betreut. Wer einen Wolf gesehen hat, kann sich bei ihm telefonisch oder per Mail melden. Von einem Besucher im Großenhainer Uebigau habe er aber noch nichts gehört. Kein Bürger hätte sich gemeldet. „Dass ein Wolf in der Nähe des Ortes auftaucht, ist aber auch keine Seltenheit. Auch Füchse laufen schon mal durch die Stadt, Wildschweinrudel bevölkern sogar den Berliner Stadtteil Zehlendorf. Es sind Wildtiere, da kommt das vor“, erklärt Torsten Peters.

Szenarien, über die so mancher Uebigauer dieser Tage vielleicht gar nicht intensiver nachdenken möchte. Zu unbekannt ist der Wolf als Gast vorm heimischen Garten im Vergleich zu vertrauten Zaungästen wie Waschbär, Rotpelz oder Marder. Die Mädchen und Jungen vom Kinderhaus „Zwergenland“ in Skäßchen kennen ihn aus verschiedenen Märchen – als gefürchteten Gesellen oder bestenfalls als schnittigen Hingucker im Wildgehege Moritzburg. Nur drei Kilometer von Uebigau entfernt ist ihr Kindergarten. Dass sie einen Wolf in natura gesehen haben, berichtete jedoch noch keiner der Eltern. „Wir wollen das auch nicht dramatisieren. In Deutschland sind Wölfe gewollt, also ist es logisch, dass auch in unserer Region hin und wieder einer zu sehen ist“, sagt Silvia Laurisch. Laut der Einrichtungsleiterin lebe man sowohl in Skäßchen als auch in Strauch ganz normalen Kindergartenalltag, betreue die kleinen Schützlinge verantwortungsbewusst und gehe im Übrigen davon aus, dass sich ein Wolf ohnehin nicht Menschen annähere.

Nun, zumindest in aller Regel nicht. Dass es auch andersartige Fälle gibt, zeigt momentan der in die Schlagzeilen geratene Pumpak aus Polen. Er stibitzt von Komposthaufen und fremdelt keineswegs gegenüber Zweibeinern. „Das ist aber nicht die Normalität“, bestätigt Vanessa Ludwig. Die Leiterin des sächsischen Wolfsbüros in Rietschen macht am Montag gegenüber der SZ keinen Hehl daraus, das ständige Vorhandensein eines Wolfes im Großenhainer Ortsteil anzuzweifeln. Eben weil es nicht im Wesen dieser Tiere liege. Abgesehen davon wüssten weder das Landratsamt Meißen noch das Lupus-Institut etwas vom Uebigauer Besucher. Im Gegensatz zu anderen wölfischen Sichtungen habe sich kein Bürger gemeldet. Das sei völlig untypisch. Allerdings: „Für uns ist es wichtig, davon zu wissen. Nur dann können wir recherchieren. Insofern wäre es gut, wenn sich die betroffenen Einwohner von Uebigau bei uns melden“, bittet Ludwig.