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Ex-Jurist muss ins Gefängnis

Ein Bautzener Jurist veruntreute mehrere Hunderttausend Euro. Am Donnerstag erhielt er dafür vor Gericht die Quittung.

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© Jens Kaczmarek

Von Sebastian Kositz

Bautzen. Bei so viel Geld geht der Überblick rasch mal verloren. Regelmäßig gingen beim Bautzener Juristen Edgar Toepfer größere Summen hin und her. Wie viel, wann und wohin, dass weiß der 60-Jährige heute nicht mehr so genau. Nur eines ist klar: Es war nicht sein Geld. Denn jahrelang hatte er sich als Schatzmeister beim Sächsischen Anwaltverband am Vereinsvermögen bedient – und als Anwalt eine demente Dame um ihr Erbe gebracht. Insgesamt mehrere Hunderttausend Euro schob Edgar Toepfer sich so in seine Taschen. Wegen Untreue verurteilte ihn deshalb am Donnerstag das Landgericht in Bautzen zu einer Gefängnisstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten.

Das Gerichtsgebäude kennt Edgar Toepfer gut. Als Anwalt ging er ein und aus. Seine Kanzlei befand sich gegenüber, in einer Gründerzeitvilla an der Taucherstraße. Der Jurist ließ es sich gutgehen, lebte, wie er sagt, „nicht gerade bescheiden.“ Nach seinem Studium war der Quakenbrücker nach Bautzen gekommen, hatte 1992 die Kanzlei eröffnet. Er galt als angesehener Vertreter seines Fachs, den viele Menschen vertrauten. Jetzt musste er mit Handschellen in den Gerichtssaal geführt werden.

Vollmacht fürs Konto

Ende 2016 hatte die Sächsische Zeitung erstmals über den Skandal im Anwaltsverband berichtet. Darüber, wie Edgar Toepfer 2002 zum Schatzmeister gewählt wurde, verbunden mit der Vollmacht, jederzeit aufs Konto des Vereins zugreifen zu können. Und das tat er dann auch, immer wieder und in Dutzenden Fällen. Bis zum Frühjahr 2016, also über 14 Jahre hinweg, genehmigte sich der Bautzener Jurist regelmäßig üppige Abhebungen vom Vereinskonto. Stets nicht unter 1 000 Euro, einmal sogar einen satten Batzen von 8 000 Euro. Mit der Zeit verschwanden so 212 000 Euro.

Jahrelang war das Gebaren des Schatzmeisters den Mitgliedern nicht aufgefallen. Sie vertrauten auf seine jährlichen Rechenschaftsberichte. Als vor einem Jahr die Unstimmigkeiten doch ans Licht kamen, waren einige der Abhebungen längst verjährt. Deshalb konnte die Staatsanwaltschaft bei ihrer Anklage jetzt nur noch auf 28 Abhebungen verweisen, bei denen ein Schaden von rund 64 000 Euro entstanden war.

Vom Geld ist nichts mehr übrig

Der Bericht in der Sächsischen Zeitung über die Machenschaften im Anwaltverband blieb indes auch der Betreuerin einer dementen Frau bei Bautzen nicht verborgen. Die Betreuerin kennt Edgar Toepfer. Sie selbst hatte ihn 2014 beauftragt, sich um die Übertragung eines Erbes an ihre Klientin zu kümmern. Deren Schwester hatte ihr stattliche 375 000 Euro vermacht. Das Geld stammt aus einem Stiftungsvermögen in Liechtenstein. Doch das Erbe ließ auf sich warten. Auf Nachfrage vertröstete Edgar Toepfer die Betreuerin, verwies sie noch im Juli 2016 auf Probleme bei der Übertragung des Geldes nach Deutschland.

Tatsächlich war das Geld da längst überwiesen – und weiterverschoben. Die Betreuerin ahnte nichts, bis sie den Beitrag in der SZ las. „Ich dachte, ich fall tot um“, sagt sie am Donnerstag als Zeugin vor Gericht. Sie erstattete daraufhin Anzeige. Abzüglich der Erbschaftssteuer, die Edgar Toepfer vorbildlich ans Finanzamt überwies, hatte der Jurist das Erbe gestückelt bis Herbst 2016 komplett auf eigene Konten weitergeleitet – unterm Strich satte 285 000 Euro.

Von den großen Summen ist heute allerdings so gut wie nichts mehr übrig. Als Ermittler und ein Insolvenzgutachter nach der Festnahme von Edgar Toepfer Ende Januar dieses Jahres die Konten des Juristen scannen, finden sie kaum noch nennenswerte Beträge. Das Geld habe er in seine Kanzlei gesteckt und seinen eben nicht gerade bescheidenen Lebenswandel finanziert. „Ich habe nichts beiseitegeschafft“, beteuert Edgar Toepfer. Tatsächlich türmt sich auch ein riesiger Schuldenberg auf. Laut Insolvenzverwalter beziffern sich die Forderungen von Banken, des Anwaltverbands und der geschädigten Mandantin sowie die Außenstände bei weiteren Gläubigern inzwischen auf 770 000 Euro.

In der Schuldenfalle

Bereits um die Jahrtausendwende war der Jurist in die Schuldenfalle geraten. Dass mit einem Kollegen aufgezogene Geschäft mit der Vermietung von Oldtimern scheiterte. Was blieben, waren Außenstände bei der Bank und dem Finanzamt. Um die zu begleichen, reichten Edgar Toepfers private Ersparnisse nicht mehr aus. Schon hier griff er auf die veruntreuten Gelder zurück.

Seine Schulden tilgen wollte Edgar Toepfer auch Anfang 2016 beim Anwaltverband. In Raten überwies er 60 000 Euro. Geld, das er offenkundig gerade aus dem Erbe der dementen Frau abgezwackt hatte. „Für mich ist das heute der schwärzeste Tag meines Lebens. Ich weiß nicht, warum ich nie die Reißleine gezogen habe“, sagt Edgar Toepfer, der vor Gericht die Vorwürfe einräumte und große Reue zeigte.

Nach dem Bericht in der Sächsischen Zeitung Ende 2016 hatte er Bautzen zunächst verlassen, sich Mitte Januar in Bremen dann allerdings bei der Polizei gestellt. Warum die Beamten den inzwischen sogar per Haftbefehl gesuchten Anwalt nicht festnahmen, ist offen. Die Handschellen klickten erst Ende Januar in Rostock. Seitdem saß er in U-Haft. Seine Zulassung als Anwalt hatte er im Mai abgegeben.

Mit ihrem Urteil folgte die Große Strafkammer des Landgerichts dem Antrag der Staatsanwaltschaft und der Verteidigung. Dass die Strafe vergleichsweise mild ausfiel, begründete das Gericht mit dem Geständnis. Zudem sei die berufliche Existenz von Edgar Toepfer zerstört. Als Anwalt, das steht fest, wird er nicht mehr arbeiten.