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Darf es ein Kilo Orden mehr sein?

Alles wie früher: Die Sachsen sind auch ohne Erich Honecker ein ausgezeichnetes Volk.

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© Sächsische Staatskanzlei

Von Gunnar Saft

SIE kommen offenbar nie aus der Mode: Kleine Metallplatten, die im Scheinwerferlicht wild funkeln, wenn sie ihre Träger zuvor mithilfe einer Sicherheitsnadel oder eines bunten Stoffstreifens stolz an die eigene Brust geheftet haben. Ich meine natürlich Orden, Medaillen und Ehrenabzeichen jeglicher Art.

In Deutschland waren die vor allem während der beiden Weltkriege und danach im Osten beim zwischenzeitlichen Aufbau von Sozialismus und Kommunismus sehr verbreitet. Dass alle drei Ereignisse irgendwie mächtig in die Hose gingen, hat ihrer Beliebtheit aber keinen Abbruch getan, im Gegenteil. Jede Legislaturperiode braucht eigene Helden. Auch in Sachsen ordert deshalb die Regierung heute gern und oft dieses Bling-Bling.

WAHRSCHEINLICH verschnupft, weil sie zu wenig davon abbekommt, stellte die Linksfraktion im Landtag jetzt eine Anfrage, wie viel von dem Glitzerzeug später aufs Wahlvolk zurückfällt. Und siehe da: Es regnet hierzulande außerordentlich häufig Blech. Gleich 37 404 Orden verteilte Sachsens CDU-Ministerpräsident Stanislaw Tillich allein zwischen 2012 und 2014, was den Linksabgeordneten André Schollbach zu einem bitterbösen Fazit animierte.

Das sei ja „wie bei Honecker“, schimpfte er los. (Für jüngere Leser: Erich Honecker war im Osten mal so was wie ein Bundeskanzler und kriegte auch ohne richtige Wahlen immer mehr als 97 Prozent der Stimmen. Dafür bedankte er sich dann bei allen Bürgern, die so taten, als wäre das völlig normal, regelmäßig mit Orden und Medaillen.)

BEVOR nun aber jeder meint, das wäre doch heute in Sachsen gar nicht so anders, hier ein kleiner Hinweis: Bei den 37 404 verteilten Orden handelt es sich in immerhin 37 367 Fällen um einen Fluthelfer-Orden. Der ging an jene, die tapfer dafür gesorgt haben, dass wir in Hochwasserzeiten auf dem Trockenen sitzen blieben und nicht untergingen – also faktisch zu Recht vergeben und nicht einfach dafür gedacht, jemanden das Maul zu stopfen.

Andererseits hat Herr Schollbach mit seiner Kritik vielleicht doch etwas recht? Unbestritten bleibt, dass Honecker einst genau solch ein Orden für seine Bürger gefehlt hat, weshalb er 1989 dann auch böse abgesoffen ist. Und der Herr Tillich weiß das womöglich.