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Was genau waren die „Freien Kameraden“?

Die Aussagen von zwei Angeklagten stehen im Widerspruch zur Aktenlage, erklärt der Richter.

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© Benno Löffler

Alexander Schneider

Dresden. Wir waren zwar immer mit dabei, haben aber von Gewaltaktionen weder gewusst noch uns daran beteiligt – das ist in aller Kürze das, was die beiden Angeklagten Janette P. (27) und Franz R. (22) in den vergangenen beiden Sitzungstagen ausgesagt haben. Nach ihren Angaben sollen andere für die Gewalt verantwortlich sein – meist „die Freitaler“.

Diese Ambivalenz geht schon mit der Frage los, worum genau es sich bei der „Freien Kameradschaft Dresden“ (FKD) eigentlich gehandelt hat. Eine Schlägertruppe oder eher ein Netzwerk Gleichgesinnter? Die Staatsanwaltschaft ist sich sicher, dass es sich bei der rechtsextremen Gruppe um eine kriminelle Vereinigung handelt, die gezielt in Dresden Straftaten begangen hat, um Angst und Schrecken unter Flüchtlingen und Andersdenkenden zu verbreiten. Seit Mittwoch vergangener Woche müssen sich fünf Männer und eine Frau im Alter von 22 bis 29 Jahren vor der Staatsschutzkammer des Landgerichts Dresden verantworten. Bereits im August wurden dort zwei weitere Mitglieder (19, 27) verurteilt, die dieselben Vorwürfe eingeräumt hatten. Beide erhielten etwa wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, Landfriedensbruchs, gefährlicher Körperverletzung und Herbeiführens von Sprengstoffexplosionen Freiheitsstrafen von drei Jahren und acht Monaten.

Das Strafmaß dürfte im aktuellen Prozess so etwas wie ein Signal für die sechs Angeklagten sein. Auf weniger können sie kaum hoffen, sollten ihnen die Vorwürfe nachgewiesen werden. Die Frau und der 22-Jährige sind die einzigen, die Angaben zu ihrem Lebenslauf und zu den Vorwürfen machen. Eine ungewöhnliche Strategie: Sie berichten ausführlich und schonungslos über ihr Leben, doch ihre Angaben zur Sache sind verharmlosend.

Für Janette P. war die FKD eine Gruppe, die ihr „Schutz und Geborgenheit“ geboten habe. Das sei ihr am wichtigsten gewesen, so die Frau, die bis heute an einem jahrelangen sexuellen Missbrauch in ihrer Kindheit und Jugend leidet. An Gewalt habe sie sich nie beteiligt. Sie habe sich sogar davon distanziert, will noch nicht einmal von geplanten Angriffen gewusst haben. „Das ist nicht mein Charakter“, sagte sie erneut.

Die FKD habe etwa am 23. August 2015 nachts „Spontandemos“ vor zwei Asylunterkünften in der Schäfer- und der Podemusstraße geplant. „Ein bissel rumbrüllen“, nannte sie das. Tatsächlich flogen Böller und Steine. P.s damalige Einstellung sei nicht rechtsextrem gewesen. „Ich bin asylkritisch“, sagt sie. Ihre offenbar guten Kontakte zu dem Ex-NPD-Landtagsabgeordneten René Despang, zur NPD-Jugendorganisation JN oder zum Organisator der jährlichen rechtsextremen Gedenkmärsche am 13. Februar stehen dazu im Widerspruch. Sie belegen, dass Janette P. weiß, wie es in dieser Szene zugeht.

Für Franz Z. war die FKD eher eine lose Gruppe, deren Gründung er so wie P. sie beschrieben hatte, gar nicht mitbekommen haben will. Er räumte ein, bei rechtsextremen Krawallen und Angriffen dabei gewesen zu sein – habe aber nicht mitgemacht. Der 22-Jährige stellte seinen Beitrag vor Gericht als gering dar. Ihm sei es um politische Aktivität gegangen.

Beide sagten, dass Gewalttaten – etwa am 23. August oder im Oktober 2015 beim Angriff auf ein alternatives Wohnprojekt in Übigau von Angehörigen der unter Rechtsterrorismusverdacht stehenden „Gruppe Freital“, konkret Timo S. und Patrick F., initiiert worden seien.

Waren es also die anderen? Joachim Kubista, der Vorsitzende Richter der Staatsschutzkammer, sagte am Mittwochnachmittag nach dem Ende des dritten Sitzungstages bewusst zu beiden Angeklagten: „Sonderlich überzeugend war das bis jetzt noch nicht.“ Aus den Ermittlungsakten ergebe sich ein anderes Bild. Der Prozess wird am Mittwoch fortgesetzt.