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Connewitzer Graffiti-Spiel

Der unerwünschte Schriftzug „No Cops!“ gegen Polizisten wurde schon viermal übermalt – jetzt heißt er „Love Cops!“

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© Sven Heitkamp

Von Sven Heitkamp, Leipzig

Auseinandersetzungen zwischen der linken Szene und der Polizei sind im Leipziger Szeneviertel Connewitz an der Tagesordnung: Mal sind es kleine friedliche Demos oder Schneeballschlachten, mal gewalttätige Straßenschlachten und brutale Angriffe auf den Polizeiposten. Nun scheinen beide Seiten Räuber und Gendarm zu spielen. Sie kämpfen um einen simplen, aber heiklen Schriftzug auf einem Sportplätzchen im Herzen des Quartiers, am Connewitzer Kreuz. Dort war auf einem Graffiti zu lesen: „No Cops! – Keine Polizisten!“

Solcherart Beamtenbeleidigungen sind hier nichts Neues. Doch die anrüchigen Buchstaben prangten diesmal an einer kleinen, halbrunden Betonwand, die zu einer städtischen Streetball-Anlage gehört. Das Rathaus konnte den Spruch nicht hinnehmen und ließ ihn am 21. Juni erstmals entfernen. Doch Connewitzer Aktivisten griffen kurz darauf zur Sprühdose und schrieben die zwei Worte wieder hin. Die Stadt übermalte daraufhin erneut. Viermal ging der Wettkampf um die Deutungshoheit nun schon hin und her, bis zum 29. August. Es stehe also, so blödeln Scherzbolde auf Twitter, derzeit 4:4.

Ein Rathaussprecher sagt zu dem Katz-und-Maus-Spiel, dass Schriftzüge wie „Antifa Area“ und „No Nazis“ ja noch hingenommen würden. Weil aber „No Cops“ als „polizeifreie Zone“ oder „rechtsfreier Raum“ interpretiert werden könne, sei dies für die Stadt an ihrem Eigentum nicht zu tolerieren. Die viermalige Entfernung des Schriftzugs habe im Übrigen schon 1 350 Euro gekostet. Weil aber nicht alle Menschen in Connewitz gemein zur Polizei sind, stehen seit ein paar Tagen ein paar andere Buchstaben an der bunten Wand: „Love Cops!“ (Liebt die Polizei!) Das durfte stehen bleiben. Vorerst ist damit nun Ruhe am Tatort eingekehrt. Das hat aber vielleicht auch mit der massiven Polizeipräsenz seit einigen Tagen zu tun – die freilich zu neuen Debatten führt. Kritiker fragen in Internetforen, ob die Polizei denn nichts Besseres zu tun habe, als eine Wand zu bewachen. Ein Twitter-Nutzer schrieb: „So viel Aufmerksamkeit bei Flüchtlingsheimen, das wäre ne prima Sache.“ Antwort der Polizei: „Wenn es dort keinen Polizeirassismus mehr gibt, können wir uns auch um andere Sachen kümmern.“ Später korrigierte die Polizei dann ihre aufgeregte Wortwahl: „Der Begriff ist zur Verdeutlichung des Problems falsch verwendet worden und somit nicht zutreffend.“

Polizeisprecherin Maria-Katharina Geyer nennt die Vorwürfe eines Wachschutzes für die bunte Mauer fehl am Platz: „Wir bewachen nicht das Graffiti.“ Es gebe ja auch keine „Soko Graffiti“. Vielmehr sei die Sondergruppe für „Lebensbedrohliche Einsatzlagen“ zurzeit in dem Stadtgebiet ohnehin auf Streife. „Connewitz“, so Geyer, „ist seit Jahren immer wieder Schwerpunkt.“ Der kuriose Konflikt ist dennoch nicht beendet: Ein Spaßvogel soll schon vor der bunten Mauer im Bärenkostüm herumgesprungen sein und provokativ mit einer Deo-Dose gesprayt haben. Am Wochenende könnte der Spaß indes vorbei sein: Die Szene mobilisiert wegen der Polizeipräsenz zum „massenhaftes Cornern“. Tenor: Holt euch den öffentlichen Raum zurück! Dann könnte es ernste Auseinandersetzungen geben.