Merken

Comeback der „Dresdner Orangerie“

Skulpturen, Glockenspiel, Brunnen und Rasenornamente - der Dresdner Zwinger ist schon architektonisch reich geschmückt. Nun kommen die Orangenbäume wieder, einst Macht- und Statussymbol des Kurfürsten.

Teilen
Folgen
© dpa

Von Simona Block

Heidenau/Dresden. Viel Wasser, viel Sonne, viel Pflege: Nach drei Jahren sind die jungen Orangenbäume bereit für den Dresdner Zwinger. Die zarten Kronen mit den satten grünen Blättern auf gut 2,50 Meter hohen, sicheren Stämmen bilden in der Orangerie des Barockschlosses Großsedlitz in Heidenau (Sächsische Schweiz) drei lange Reihen.

Ihre Wurzeln stecken fest in Kübeln aus Eichenholz, die nach historischem Vorbild in den alten sächsischen Farben blau-weiß gestreift angemalt wurden. Im grünen Geäst sind weiße Blüten auszumachen, an manchen Ästen hängen auch Orangen. „Wir haben sie zur Schau dran gelassen“, sagt Gärtner Karsten Otto, der sie aufgezogen und gepflegt hat.

Ab Dienstag (16. Mai) werden die Bitterorangen im Zwinger arrangiert, der ursprünglich als Orangerie geplant war. Der älteste, 1709 bis 1711 entstandene Teil, die Bogengalerie, sollte das Winterquartier für über 100 Pomeranzenbäume werden. Sachsens legendärer Kurfürst August der Starke (1670-1733) besaß zu Hochzeiten an die 2 000 Orangen- und Zitrusbäume, die größtenteils im Zwinger-Innenhof standen. Eine davon hat überlebt und wird im Park von Schloss Pillnitz gehütet.

Der Zwinger gilt als ein Hauptwerk europäischer Barockarchitektur. Er wurde 1709 bis 1728 im Auftrag des Herrschers errichtet - als Ort höfischer Repräsentation und Feste sowie zur Aufbewahrung der fürstlichen Kunstsammlungen. Der symmetrische und mit vier Brunnenbecken versehene Hof wird von sechs Pavillons umrahmt, die durch mehrere Bogen- und eine Langgalerie verbunden sind. Auf Balustraden, in Nischen und Konsolen stehen fast 700 Skulpturen überwiegend frei, darunter noch 15 Originale.

Von 1709 bis 1880 beherbergte der Zwinger eine der bedeutendsten Orangerien in Europa, mit mehr als 30 verschiedenen „Citrus“-Sorten. Sie belebten im Sommer, alleenartig angeordnet, den Innenhof und im Winter die Galerien. Nach gut 200 Jahren kommen nun Orangenbäume zurück. „Damit erfüllt sich ein langgehegter Traum“, sagt Christian Striefler, Direktor der Staatlichen Schlösserverwaltung. Sie hatte die Bäumchen 2014 in Italien gekauft - wie einst August der Starke.

Im gut 20 Kilometer entfernten, nach Versailler Muster angelegten Barockgarten Großsedlitz wurden aus den 82 zarten Pflänzchen ansehnliche Bäume. „Wir mussten sie erstmal stutzen, sie hatten gar keine Form“, erzählt „Orangeur“ Otto. „In Italien stehen sie ja an der Straße.“ Für den Zwinger müssen die Pomeranzen, so die einstige Bezeichnung für Zitrusfrüchte, „schöne Kronen“ haben. Dafür wurden sie verzweigt, bis die Form füllig genug war - das dauerte zwei Wochen pro Durchgang. Zuweilen hat Otto bis zu fünf Liter Wasser täglich in jeden Kübel gegossen.

Auch beim Überwintern brauchen die empfindlichen Orangen Betreuung, deshalb müssen die Kübel wieder aufs Land. „Wir haben dafür extra zwei Anhänger bauen lassen und hoffen, dass wir pro Fahrt acht bis zehn Kübel schaffen.“ Immerhin wiegt einer etwa 100 Kilo, da braucht es mehrere kräftige Männer. „Es gibt aber nur zwei Ansatzpunkte für entsprechende Griffe.“ Die Jungfernfahrt ist für Montag geplant, bis Samstag sollen 76 Töpfe die vier Rasen-Kompartimente säumen. Sechs Töpfe bleiben zunächst in Großsedlitz, sie müssen „nachreifen“.

Für 49 der empfindlichen Zwinger-Pflanzen hat der Freundeskreis Schlösserland Sachsen seit 2014 Paten gefunden, die mit je 550 Euro pro Jahr und Gewächs die sehr teure Pflege unterstützen - Firmen und Bürger aus der Elbestadt sowie Dresdner und Sachsen, die anderswo leben. Auch für Otto sind die Zwinger-Orangen Daueraufgabe. Der 32-Jährige stammt aus der Lausitz, der den Beruf in Schloss Pillnitz von der Pike auf lernte.

Er hofft, dass seine Schützlinge sich wohlfühlen am neuen Standort, und setzt auch „auf die Vernunft der Leute“. Zum Schutz vor starkem Wind, rabiaten Zeitgenossen und Schäden beim Transport ist jeder Baum fixiert. Vor über 150 Jahren musste die „Dresdner Orangerie“ aufgegeben werden - wegen der Bedrohung durch Stürme und Vandalismus. Der Gartendirektor schrieb 1865 vom „besuchtesten Kinderspielplatz der Stadt“. Laut der im Staatsarchiv befindlichen Akte wurden Äste und Wurzeln abgebrochen, die Stämme erklettert, mit Steinen nach den Früchten geworfen und die Erde verunreinigt, zerwühlt und begossen. (dpa)