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Brutaler Bankraub mit NSU-Handschrift

Uwe Böhnhardt schoss ihm in den Bauch, Nico R. überlebte. Im NSU-Prozess berichtet der frühere Sparkassenazubi von einem Überfall in Zwickau.

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© Symbolbild: dpa

Von Wiebke Ramm, München

Die Opfer des Überfalls leiden noch heute. Es fällt ihnen schwer, über die Ereignisse vom 5. Oktober 2006 vor Gericht zu sprechen. Nico R. hatte seine Ausbildung bei der Sparkasse in Zwickau gerade erst begonnen, als mutmaßlich Uwe Böhnhardt ihm eine Waffe erst drohend an den Kopf hielt und ihm dann in den Bauch schoss. Gegen 12 Uhr war der Täter an jenem Tag in die Filiale gestürmt. Er trug Sturmhaube, Handschuhe und Kapuze. Er schrie und ging äußerst brutal vor.

Nico R., damals 19 Jahre alt, wollte den Räuber überwältigen. „Ich habe versucht, ihm die Waffe wegzunehmen“, sagt Nico R. am Mittwoch, dem 261. Verhandlungstag im NSU-Prozess vor dem Oberlandesgericht München. „Bist du wahnsinnig?“, habe Böhnhardt ihn daraufhin angebrüllt. „Dann hat er blind nach hinten geschossen und hat die Filiale verlassen.“ Nico R. sagt es ganz ruhig.

„Was ist mit Ihnen geschehen?“, fragt Richter Manfred Götzl. „Ich dachte, es sei nur eine Schreckschusspistole“, sagt er. Doch als er sich damals an Bauch und Rücken fasste, war überall Blut. Böhnhardt hatte Nico R. in den Bauch geschossen, er erlitt einen Bauchdurchschuss. R. verliert seine Milz, ein Stück der Wirbelsäule ist abgesplittert.

Böhnhardt hatte zusammen mit Uwe Mundlos bereits neun Menschen ermordet, als Nico R. in der Sparkasse auf ihn traf. Ein halbes Jahr später, im April 2007, erschossen die beiden Neonazis noch eine Polizistin und verletzten ihren Kollegen schwer.

Beate Zschäpe sitzt zusammengesunken auf der Anklagebank. Den Blick hält sie gesenkt. Es ist einige Zeit her, dass sie vor Gericht mit der Aussage von Opfern konfrontiert worden ist.

Nico R. hat riesiges Glück gehabt. Ein Arzt stand damals direkt vor der Sparkasse. Bis heute leidet Nico R. unter den Folgen der Tat. Seine Ausbildung konnte er nicht beenden. Massive Ängste, Schlafprobleme und die körperlichen Folgen der Tat plagten ihn. R. war lange krankgeschrieben, ließ sich schließlich zum Tischler umschulen. Heute hat er einen Bürojob.

Doch Nico R. will nicht klagen. Nur auf Nachfrage erzählt er, dass er noch heute Schmerzen hat. „Ich kann damit umgehen“, sagt er. „Ich versuche, es zu verdrängen.“ Immer wieder spricht er dabei von einem „Unfall“.

Bevor Böhnhardt auf R. schoss, hatte er einer Angestellten bereits mit einem Tischventilator auf den Kopf geschlagen, einer anderen die Waffe an die Stirn gehalten und eine Vase gegen ein Fenster geschleudert. Auch ein erster Schuss hatte sich bereits gelöst. Er ging in den Boden.

„Es lief alles sehr brutal, sehr hektisch, sehr schnell und laut ab“, sagt Danielle G. Die 50-Jährige musste den Bauchschuss auf ihren Auszubildenden mit ansehen. „Ich bin zu Nico gegangen, habe ihn gestreichelt und immer wieder gesagt: ,Halte durch.‘“ Auch sie leidet noch heute unter dem Erlebten. „Es ist schwer zu verkraften, wenn man eine Pistole an die Stirn gehalten bekommt.“ Sie weint. „Ich hatte einfach nur Angst, nur furchtbare Angst.“

Die Tatwaffe, die Jacke und die Maske, die der Täter während des Überfalls getragen haben soll, fanden die Ermittler 2011 in dem Wohnmobil in Eisenach, in dem Böhnhardt und Mundlos starben.

Der Banküberfall im Oktober 2006 in Zwickau war nach Erkenntnis der Ermittler der erste, den Böhnhardt ohne Mundlos ausgeführt hat. Die Bundesanwaltschaft führt dies auf den erhöhten Fahndungsdruck damals zurück. Die Polizei hatte inzwischen erkannt, dass es zwei Serienräuber in Sachsen gibt. Möglicherweise änderte der NSU deshalb sein Vorgehen. Der Überfall auf die Sparkasse war der elfte und letzte Banküberfall in Sachsen, der dem NSU zuordnet wird. Danach schlugen die Räuber noch viermal in Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen zu. (dpa)