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Böllers letzter Bums

Wieder hat die Polizei im Grenzgebiet Tausende illegale Feuerwerkskörper beschlagnahmt. Und was passiert damit?

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© Frank Mehnert

Von Jörg Stock

Wie stets ist die Zahl der aufgedeckten Feuerwerks-schmuggeleien im Grenzgebiet zum Jahresende nach oben geschnellt. Von den 52 Fällen, die Beamte der Bundespolizeiinspektion Berggießhübel registrierten, ereigneten sich allein 36 im Lauf des Dezembers. Insgesamt wurden über viertausend illegal eingeführte Feuerwerkskörper sichergestellt.

Die Berggießhübler Inspektion lagert sie in brandsicheren Spezialkartons in der Asservatenkammer. Ist eine bestimmte Menge beisammen, kommen die Entschärfer von der Bundespolizeidirektion Pirna vorbei und nehmen die Sprengkörper mit. In einem Verbrennungsofen in der Lausitz machen sie dann ihren letzten Bums.

Der Betrieb nennt sich ganz nüchtern EST Energetics. Er steht in Rothenburg, in der Nähe des großen Truppenübungsplatzes Nochten. Sven Schröder, Vertriebsleiter bei EST und ehemaliger Bombenentschärfer der Bundeswehr, sagt, dass die Menge der hier vernichteten Explosivstoffe weltweit einzigartig ist. Die Öfen schlucken am Tag bis zu fünfzehn Tonnen Treibladungspulver und bis zu fünf Tonnen Munition, auch im Ganzen, bis Kaliber 35 Millimeter. Europäische Armeen lassen hier ihre Altmunition verschrotten. Auch Pyrotechnik kommt aus ganz Europa bei EST Energetics an, sei es wegen Herstellungsfehlern, sei es wegen Überlagerung oder eben wegen Beschlagnahmung. Den Umfang der Feuerwerksvernichtung in seiner Firma schätzt Sven Schröder auf mehrere Hundert Tonnen im Jahr. Der Jahreswechsel ist dabei keine sonderlich heiße Phase, sagt er. Die Polizei liefere kontinuierlich. Größter Kunde sei in dieser Beziehung übrigens nicht Sachsen, sondern Bayern.

Die Feuerwerksvernichtung beginnt bei EST im sogenannten Aufgabebereich mit der Portionierung. An einem stählernen Tisch verpackt ein Mitarbeiter die Pyrotechnik in Tüten. Die Tüten legt er in Behälter, die großen Kochtöpfen ähneln. Die Größe der einzelnen Portionen ist in einem aufwendigen Verfahren ermittelt worden, sagt Vertriebsleiter Schröder. „Wir müssen aufpassen, dass die Anlage keinen Schaden nimmt“, sagt er. Die Töpfe fahren zum Drehrohrofen. Das ist eine zwölf Meter lange, keramisch ausgemauerte Röhre von zweieinhalb Metern Durchmesser, die um sich selbst rotiert. Alle zwölf Sekunden kippt ein Topf seinen Inhalt in den Zylinder, wo er durch Brenner gezündet wird. Die Rotation des Ofens bewirkt, dass die Explosionen stets eine andere Stelle der Wandung treffen. So wird das Material geschont. Von Lärm und Herrlichkeit des Feuerwerks lässt der Drehrohrofen kaum etwas nach außen dringen. „Es rumpelt mal kurz, und das war’s“, sagt Sven Schröder. Den Leuchteffekten durch ein Panzerglas zuzugucken, ist zwar theoretisch möglich. Jedoch setzt man lieber eine Stahlblende vor den Sehschlitz, um Schäden an der Scheibe und an der sensiblen Kameratechnik aus dem Wege zu gehen.

Während beim Vernichten von Munition erhebliche Mengen Schrott gewonnen werden, bleibt von der Pyrotechnik lediglich eine grauschwarze Schlacke mit nur geringen Metallanteilen übrig. Aus der Hitze, die beim Abbrennen des Feuerwerks entsteht, macht EST Dampf, der eine Turbine nebst Generator antreibt. Den Strom nutzt die Firma selbst, der Überschuss kommt ins öffentliche Netz. Allerdings ist Feuerwerk eine eher schlechte Wärmequelle. Nur wenig Energie zur Dampferzeugung wird freigesetzt.

Es könnte also sein, dass die Schmuggelböller aus der Sächsischen Schweiz und dem Osterzgebirge ein wenig Strom für die Allgemeinheit einbringen. Für die Täter lohnt sich das freilich nicht. Sie müssen für den Transport und die Entsorgung der Pyrotechnik aufkommen. Laut Polizeikommissar Martin Ebermann, Sprecher der Berggießhübler Bundespolizeiinspektion, werden in der Regel hohe zwei- bis dreistellige Beträge gefordert, abhängig von der Menge und Gefährlichkeit der Ware. Dazu kommen die Geldstrafen. Beispiel: Eine 28-jährige Deutsche, die man kurz vor Weihnachten 2015 in Hellendorf unter anderem mit über sechzig illegalen Böllern ertappte, hat das Pirnaer Amtsgericht zu 1 200 Euro Strafe verdonnert.