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Bewährungsstrafe für Timo S.

Sie machen Jagd auf Flüchtlingsunterstützer und schlagen mit einem Baseballschläger auf deren Wagen ein - nun stehen sie vor Gericht. Mit zwei Mitangeklagten empfängt auch der unter Terrorverdacht stehende Freitaler sein Urteil.

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© dpa

Von Andrea Schawe und Alexander Schneider

Freital/Dresden. Timo S. trägt Anzug. Da geht schon mal ein Raunen durch das Publikum im gut besuchten Saal des Amtsgerichts Dresden, als der Freitaler mit einer Stunde Verspätung von zwei Beamten hereingeführt wird. Schwarze Hose und Jackett, weißes Hemd, rote Krawatte. Bei seinem ersten Auftritt im Januar kam der 27-Jährige noch im beigefarbenen Pulli und Jeans.

Fast auf den Tag zehn Monate nach dem Überfall auf Pro-Asyl-Demonstranten in Freital stehen Timo S. und zwei weitere Angeklagte am Dienstag vor dem Jugendschöffengericht. Diese Anklage – wegen versuchten gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr, Nötigung und Beihilfe zur Körperverletzung – ist Timo S.s geringstes Problem. Nach den neuen Ermittlungen des Generalbundesanwalts wegen Rädelsführerschaft in einer rechtsterroristischen Vereinigung und versuchten Mordes spielt dieser Prozess kaum noch eine Rolle für ihn. Seit November sitzen der Busfahrer und zwei terrorverdächtige Komplizen in Untersuchungshaft. Fünf weitere Mitglieder der sogenannten „Gruppe Freital“ wurden erst vergangene Woche von Beamten der GSG9 in Freital verhaftet.

Angeklagte sollen VW abgedrängt haben

Als nun die Anklage verlesen wird, starrt S. mit Verteidiger Michael Bürger auf den Laptop vor ihnen. Es wirkt, als hätten beide die Vorwürfe nie gehört. Die Staatsanwaltschaft wirft den drei Angeklagten vor, am 24. Juni 2015 nach einer Demonstration vor dem ehemaligen Leonardo-Hotel Pro-Asyl-Aktivisten angegriffen zu haben. Mit zwei Autos sollen S. und Torsten L. einen VW Golf auf der Fahrt nach Dresden verfolgt und versucht haben, den VW abzudrängen. Timo S. habe das Kommando gegeben: „Da, Zecken, los hinterher.“

Nachdem der Golf an der Hem-Tankstelle in der Tharandter Straße hielt, habe Tom R. mit einem Baseballschläger auf den Golf eingeschlagen. Die Frontscheibe des VWs ging zu Bruch, dann auch eine Seitenscheibe. Ein Insasse wurde verletzt – Johann Dulig, Sohn des SPD-Politikers und Wirtschaftsministers Martin Dulig.

Während S. und der Heranwachsende R. die Vorwürfe sofort gestehen, sorgt Monteur Torsten L. (46) aus Wilsdruff für Irritationen unter Prozessbeteiligten und Zuschauern. Er kann sich nicht erinnern, etwas gemacht zu haben. „Wir waren auf dem Heimweg.“ Auf der Demo sei er Ordner gewesen, da sei er „unpolitisch“. Er habe den VW-Fahrer zur Rede stellen wollen, weil der ihm den Stinkefinger gezeigt habe. Verfolgt habe er ihn nicht. „Wäre die Sache mit dem Baseballschläger nicht passiert, wäre es eine normale Aktion gewesen“, sagt er. Die Alu-Keule lag in seinem roten Geländewagen, auf dessen Tür ein Eisernes Kreuz prangte. Unpolitisch?

Nur ein Täter entschuldigt sich bei Opfern

L. verstrickt sich in Widersprüche. Er soll an jenem Abend schon mit anderen versucht haben, dass Pro-Asyl-Demonstranten ihren Zug nicht erreichen. Auch wurde bei L. später Pyrotechnik gefunden. Der angebliche Stinkefinger – wohl eine Erfindung. Richter Markus Vogel unterbricht den Prozess, damit L. sich sammeln kann. Danach räumt auch L. alle Taten ein. Nachfragen lässt er nicht mehr zu, wie Timo S., der immer wieder ins Publikum schaut, lächelt und mit seiner Freundin flirtet, angeblich sind sie seit Kurzem verlobt.

Als einziger entschuldigt sich Tom R. bei Opfern, die Tat tue ihm leid, sein Gehirn sei wie ausgeschaltet gewesen. Die fünf aus dem Golf berichten, dass vor allem der rote Geländewagen sie verfolgt und bedrängt habe. Manche gibt zu, Todesangst gehabt zu haben, als sie mit über 100 Sachen die Verfolger abzuschütteln wollten.

Richter Markus Vogel verurteilt Tom R. zu einer Jugendstrafe von zehn Monaten auf Bewährung. Die Erwachsenen erhalten Bewährungsstrafen: Timo S. ein Jahr, Torsten L. 14 Monate, L. muss 1 000 Euro an die Opferhilfe zahlen. Außerdem bleiben die Führerscheine der Erwachsenen für weitere sieben Monate eingezogen. Richter Vogel kritisiert deutlich, dass man den beiden nicht unmittelbar nach der Tat die Führerscheine abgenommen hatte. „Vielleicht hätte es dann Klick gemacht“, sagt er. Stattdessen soll Timo S. kurz darauf weiter Terror verbreitet haben. Dafür ist jedoch ein anderes Gericht zuständig.