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Beiboot der „Gustloff“ sticht in See

Nach zwei Jahren Restaurierung wartet die zum Segelschulschiff umgebaute „Seabreeze“ auf ihren Einsatz in der Lausitz.

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© dpa

Von Mirko Kolodziej

Ein paar Tränen hat Brigitte Wilfert schon in den Augen, als das Ende der zweijährigen Sanierungsarbeiten an der „Seabreeze“ gefeiert wird. Die 78-Jährige aus Hoyerswerda sollte eigentlich an Bord des KdF-Kreuzers „Wilhelm Gustloff“ sein, als der Ende Januar 1945 mit Tausenden Flüchtlingen an Bord in Gotenhafen (Gdynia) ablegte. Doch das Eintreffen der Roten Armee schnitt den Weg zwischen Brigitte Wilferts Heimatstadt Marienburg (Malbork) und Gotenhafen ab.

Für den Moment schien das ein Unglück zu sein. Die Plätze für die Familie waren von einem Onkel gesichert worden, der auf der „Gustloff“ arbeitete. Doch das Schiff wurde kurz nach dem Ablegen von einem sowjetischen Torpedo getroffen. Tausende starben. „Das Schicksal hat uns davor bewahrt, weil wir nicht auf das Schiff kamen“, sagte Brigitte Wilfert beim Anblick der „Seabreeze“. Sie ist das letzte verbliebene Beiboot der „Gustloff“.

Dirk Rolka vom Förderverein „Segelschul- und Traditionsschiff Seabreeze“ hat bei der Feier, zu der auch Brigitte Wilfert eingeladen ist, oft Danke zu sagen. Es gab viel Hilfe – aus der Politik und aus der Bürgerschaft. So dankt Rolka unter anderem einem Mann namens „Tischi“. Der Tischler Thomas Felchner hat seit Oktober fast jedes Wochenende an den Aufbauten und der Kajüte gearbeitet. Noch am Dienstag besserte er die letzte Planke aus. „Von der Größe her ist das Boot ein Spielzeug“, sagt Felchner, der schon an Booten in Holland, Dänemark oder Italien gearbeitet hat – darunter an der „Eclipse“ des Großkapitalisten Roman Abramowitsch, der zweitgrößten Jacht der Welt. Aber die „Seabreeze“ liegt Felchner schon sehr am Herzen. Denn sie soll einmal vor allem als Kinder- und Segelschulschiff dienen – und dann noch im heimischen Lausitzer Seenland. „Es bedarf für so etwas sehr vieler positiv Bekloppter“, sagt Dirk Rolka.

So ganz einfach war die Sache nämlich nicht. Nach dem Abstrahlen der ursprünglichen Farbe hatte sich herausgestellt, dass nur sie es war, die den Rumpf zusammenhielt. Dirk Rolka berichtet von faustgroßen Löchern. Zum Glück fand sich ein Schweißer mit goldenen Händen. Auch Thomas Felchner musste zaubern, was einen üblen Schaden am Kabinen-Holz angeht.

Ein vierjähriges Mädchen durfte zur Übergabe ein paar Spritzer Sekt auf dem marineblauen Schiffsrumpf verteilen. Bevor das Schiff nun allerdings wieder in See stechen kann, muss die Nutzung noch im Detail geklärt werden. Immerhin hat der 1. Wassersportverein Lausitzer Seenland schon mal einen Liegeplatz für die „Seabreeze“ am Geierswalder See organisiert. Und auch ein Kapitän steht schon bereit. Wie das später einmal laufen könnte, machte eine kleine Piraten-Show zum Festakt deutlich.

Aber auch mit dem Schicksal der nach dem Zweiten Weltkrieg aus dem Osten vertriebenen und geflüchteten Menschen sollen junge Leute sich an Bord des Seglers befassen können. Der sächsische Landesverband der Vertriebenen und Spätaussiedler hat schon finanzielle Unterstützung versprochen. Die Hilfe der Verkehrsgesellschaft VGH dagegen ist mit dem Umzug des Bootes nach Geierswalde vorerst beendet. Ihre Bushallen waren sicher schon vieles. Eine stilechte Bootswerft gab es dort jetzt aber zum ersten Mal.