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Begehrte Knatterkisten

Alte Simsons haben an Wert gewonnen. Das hat mehrere Gründe – und steigert die Lust der Diebe.

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© Norbert Millauer

Von Franz Werfel

Vergangenes Jahr wurden in den beiden ostsächsischen Landkreisen Bautzen und Görlitz bei der Polizei 101 gestohlene Mopeds gemeldet. Ganz so schlimm sieht es im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge nicht aus. Im Gegensatz zu den Beamten in Görlitz und Bautzen hat die Dresdner Polizeidirektion beim Auslesen ihrer Statistik nicht zwischen Motorrädern und kleinen Krafträdern unterschieden, also Zweiräder mit maximal 125 Kubikzentimetern Hubraum. Die SZ erfährt auf Anfrage nur so viel: Im vergangenen Jahr wurden im Landkreis 34 Krafträder als gestohlen gemeldet. In diesem Jahr sind es bisher 19. Ein Trend sei nicht zu erkennen, so Polizeisprecher Marko Laske. „Die Diebstähle haben sich aber auf einem gewissen Niveau stabilisiert“, sagt er. Vor zwei Jahren wurden in der Region 42 Krafträder gestohlen, 2014 waren es 61 und 2013 exakt 53. Zu Diebstählen komme es eher in den Städten als auf dem Land. Denn in Städten wie Freital, Heidenau, Pirna und Sebnitz gebe es schlicht mehr Krafträder.

Vor seiner Werkstatt hat Jens Parsiegla einen kleinen Fuhrpark stehen. Alte, nicht reparierte Simmis gibt es schon ab 700 Euro. Für die richtig schicken Maschinen muss man das Vierfache rechnen.
Vor seiner Werkstatt hat Jens Parsiegla einen kleinen Fuhrpark stehen. Alte, nicht reparierte Simmis gibt es schon ab 700 Euro. Für die richtig schicken Maschinen muss man das Vierfache rechnen. © Norbert Millauer

Einer, der sich von Berufs wegen auskennt mit dem Thema, ist Jens Parsiegla. Der 53-Jährige betreibt seit sieben Jahren seine kleine Werkstatt in Heidenau. 2-Takt-Parsiegla heißt sie. Den geschützten Namen „Simson“ darf er offiziell nicht verwenden. Jens Parsiegla hat auch beobachtet, dass in den vergangenen Jahren mehr Mopeds gestohlen wurden – gerade auch alte Simsons und darunter insbesondere Schwalben aus der DDR.

„Der Simson-Boom ging vor drei Jahren richtig durch die Decke“, sagt er. Seit ein paar Jahren wurden Mopeds wieder interessant. Warum, liegt für Parsiegla auf der Hand. „Die Zeit zwischen Fahrrad und dem Führerschein fürs Auto decken viele Jugendliche heute wieder mit dem Mopedführerschein ab.“ Diesen kann man schon mit 15 Jahren machen. Der gelernte Kfz-Schlosser hat noch etwas beobachtet, er nennt es „die Wiederentdeckung der Väter“. Männer in den besten Jahren, zwischen 35 und 50, zeigen jetzt ihren Söhnen, was für tolle Maschinen sie in ihrer Jugend gefahren haben.

Mit ihrem 50-Kubikzentimeter-Hubraum können sie bis zu 45 Stundenkilometer fahren. Aber: Simsons, die bis Februar 1992 gebaut und zugelassen wurden, haben noch einen weiteren Vorteil gegenüber anderen Maschinen: Ist das Moped original erhalten oder aus originalen Bauteilen zusammengeschraubt, darf es legal mit einer Geschwindigkeit bis zu 60 Kilometern pro Stunde fahren. „Das geht aber nur, wenn sich auf dem Rahmen des Zweirades noch die originale Nummer ab Werk befindet.“ Und deswegen seien die alten Simsons – oder Teile davon – so begehrt.

Das hat mittlerweile seinen Preis. „Direkt nach der Wende wurde eine alte Simson auch mal für einen Bierkasten rübergereicht“, sagt Parsiegla. Diese Zeiten seien lange vorbei. „Heute kostet eine Simson in schlechtem Zustand mindestens 700, 800 Euro“, sagt er. Motzt man die auf, ist man schnell bei 2 000 Euro. „Für eine gute Simson, die voll in Schuss ist, zahlen Sie jetzt schon 2 800 Euro, allein für das Material.“

Konkurrenz aus dem Internet

Bis 1991 wurden die Simmis im Suhler VEB Ernst Thälmann produziert. Mittlerweile, sagt Parsiegla, komme man leicht an gute Ersatzteile. Der größte Händler dafür, MZA Meyer-Zweiradtechnik Ahnatal, lässt die weltweit produzieren. „Die Ersatzteile kommen aus China, Tschechien, Polen“, sagt Parsiegla. Die neuesten Bowdenzüge entstehen aber wieder in Ostdeutschland. „Die werden in Quedlinburg produziert.“ Der Markt wächst also an zwei Enden und wird noch attraktiver: Einerseits sind die alten Simmis wieder beliebter, sichere Ersatzteile finden sich leicht. Andererseits könne man auch gestohlene Originalteile zunehmend mit Gewinn verkaufen. Zumal auf den wenig regulierten digitalen Markplätzen. Das weiß auch Parsiegla. „Das Internet ist eine Welt für sich“, sagt er. Während er mit seinem Angestellten pro Jahr einen höheren fünfstelligen Betrag umsetzt, hätten viele Internethändler mindestens siebenstellige Umsätze.

Und wie schaut der Fachmann auf das umstrittene Thema Tuning? „Davon lasse ich die Finger“, sagt Parsiegla. „Erstens ist es nicht erlaubt. Zweitens ist mir die Sicherheit meiner Kunden wichtig.“ Am ursprünglichen Zustand der Maschinen dürfe er eh nichts verändern. Sonst sei die Zulassung mit der Sonderregel bis Februar 1992 gefährdet. Natürlich würden viele Hobbybastler an den Simsons herumschrauben. „Das ist nicht schwer, das können viele.“ Es sei aber auch gefährlich. „Wenn man einen original Simson-Motor künstlich hochtunt, dann muss man an das Material ran, dann muss man bohren“, sagt Parsiegla. Das mache die Maschinen anfällig für Unfälle. Gerade im Internet würden sich viele dieser Garagenschrauber tummeln. „Die machen den Kunden unseriöse Angebote und streichen hohe Gewinne ein.“

Doppelt gesichert ist doppelt sicher

Enttäuschte Schnäppchenjäger kämen oft in seinen Laden. Erst kürzlich hatte er wieder so einen Fall: Die Bremse war nicht stabil, die einzelnen Baugruppen wie Zündung oder Beleuchtung nicht ordentlich zusammengebaut. Die Kunden müssen dann in seiner Werkstatt noch mal ordentlich investieren, damit die Simson ihren Fahrer und andere Verkehrsteilnehmer künftig nicht gefährdet. Deshalb kauft er selbst Ersatzteile auch nur bei zertifizierten Händlern. „Sie bieten die beste Qualität und die beste Gewährleistung, wenn es doch mal zu einem Schaden kommt.“ Nicht nur für den Schadensfall sei es sinnvoll, Kassenzettel von gekauften Ersatzteilen aufzuheben. Es helfe auch, wenn die Simson doch einmal gestohlen wird und die Versicherung Belege sehen will.

Damit das Moped möglichst gar nicht erst geklaut wird, hat Jens Parsiegla noch einen Tipp. „Man sollte immer das Vorderrad gut sichern“, sagt er. Weil das nicht fest ist, könne man sonst das Hinterrad anheben und das Moped leicht wegschieben. Dafür empfiehlt er eine stabile Metallkette. Gute Schlösser gebe es im Handel schon ab 50 Euro. Nur das Motorschloss abzuschließen reiche nicht aus. „Das kann man oft schon mit einem kräftigen Ruck knacken.“ Noch besser sei es allerdings, sagt der Fachhändler, zusätzlich mit einer zweiten Kette auch das Hinterrad zu sichern. „Doppelt hält einfach besser.“