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Bauzauberei im Hexenhaus

Beim Sanieren haben zwei junge Radebeuler an der Meißner Straße Ungewöhnliches erlebt. Jetzt wohnen sie in dem kleinen Fachwerkhaus.

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© Christian Juppe

Von Peter Redlich

Radebeul. Die Eingangstür zum Garten klemmt manchmal ein wenig. Die Fenster stehen aus der Fassade hervor. Die Verkleidung über dem Fachwerk fehlt noch. Es ist überhaupt noch einiges zu tun am Hexenhaus, wie Radebeuler das kleine Gebäude an der Meißner Straße 172 nennen.

Die für das kleine Haus ungewöhnlich breite Sandsteintreppe führt direkt aus dem Flur in den Gewölbekeller.
Die für das kleine Haus ungewöhnlich breite Sandsteintreppe führt direkt aus dem Flur in den Gewölbekeller. © Christian Juppe
Gefunden bei den Bauarbeiten – sechs alte Bierflaschen waren eingemauert.
Gefunden bei den Bauarbeiten – sechs alte Bierflaschen waren eingemauert. © Christian Juppe
Eine alte Inschrift auf einem Brett aus dem Jahre 1872. Sie weist darauf hin, dass hier die Gebrüder Ziller arbeiteten.
Eine alte Inschrift auf einem Brett aus dem Jahre 1872. Sie weist darauf hin, dass hier die Gebrüder Ziller arbeiteten. © Christian Juppe

Drinnen sind die Bauherren Familie S. schon viel weiter. Behagliche Wärme macht sich im Erdgeschoss aus der Fußbodenheizung breit. Im Obergeschoss sind die Wärmeschläuche in den Wänden zwischen Lehmziegeln verlegt.

Vor vier Jahren haben die zwei jungen Radebeuler Haus und Grundstück erworben. Vorbesitzer war die katholische Kirche, die zuletzt wohl einmal die Woche das kleine Haus noch für ihre Jugendfreizeit nutzte.

Die junge Frau: „Wir waren lange schon auf der Suche nach Haus und Grundstück. Es sollte ein altes Haus sein, woran wir selber was machen können. Von wo aus zumindest einer von uns mit der Bahn zur Arbeit fahren kann.“ Das mit der Bahn haben sie gut getroffen, sagen manche Freunde eher ironisch gemeint. Sie fährt gefühlt in Armlänge an der Südfront des Hauses vorbei. Derzeit rumpelt sie noch. Das Stück Meißner Straße soll aber saniert werden. Nach den Bauplänen werde die Straße dann sogar noch näher ans Haus rücken und die denkmalgeschützte Mauer am Grundstück versetzt werden. Was den beiden nicht gefällt.

Doch von der Verkehrsrumpelei ist erstaunlicherweise wenig in der Stube zu hören. Nicht nur die Ziegelwände dämmen ordentlich, vor allem die Kastenfenster, neu angefertigt, bringen Ruhe ins Haus.

Behaglich ist es sowieso. Das Raumklima hat eine gesunde Luftfeuchte und wird unterstützt von natürlichen Hölzern. Andrea und Frank S. haben mit den Zimmerleuten nicht nur Stahlträger durch Holzbalken ersetzt. Auch im Fachwerk wurde so gut wie kein Metall verwendet. Traditionell verbinden Holzzapfen und Platten das Gewerk. „Bei uns dürfen auch Wände, so wie sie waren, schief sein.“ Die Treppe zum Dachboden hat der Zimmermann den Schrägen angepasst, nicht umgekehrt.

Es war viel zu tun an dem Haus. Wer sich als Vorbeifahrender noch erinnert, wie vor anderthalb Jahren die Wände offen waren, kann dies nachvollziehen. Die gesamte Nordseite war vom Wetter zerstört und musste neu ausgemauert werden. Holzschutzgutachter hatten viel zu begutachten – anschließend wurden Fachwerkbalken ersetzt, Deckenbalken neu angeschuht.

Als keine Arbeiten an der Außenfassade mehr erfolgten, dachten manche Passanten schon, dass die Baustelle zum Erliegen gekommen ist und es hier nicht mehr weitergehen wird. Aber das in der Zeit auch innen sich eine Menge tat, war ja nicht zu sehen. So hat etwa der Lehmputzer – ein Mann alleine – zwölf Tonnen Lehmputz an die Wände gebracht und dank tatkräftiger Hilfe im Freundeskreis sind 100 Säcke zu je 30 Kilogramm mit der neuen ökologischen Lehm-Hanf-Deckenschüttung in die Holzbalkendecken eingebaut worden.

Die beiden haben in der Küche in den Fliesenspiegel historische Fliesen integriert. Die alten Innentüren wurden aufgearbeitet und bei einer schlichten Bretttür wurde unter fünf Farbschichten eine originale Bemalung mit zwei blauen, rot umrandeten kassettenartigen Feldern gefunden. Die Malerei soll restauriert werden.

Freunde hätten sie immer mal wieder gefragt, ob sie sich das wirklich weiter antun wollen, sagt die junge Frau. Doch solche Zweifel seien ihnen nie gekommen. Sie hatten sich vieles vorher gründlich durchdacht. Freilich habe es während der Bauarbeiten immer wieder neue Situationen gegeben. Aber die seien zu bewältigen gewesen. Etwa, wie die Falltür im Flur über der Kellertreppe neu angelegt werden sollte.

Eine Öffnung, die für das zierliche Haus groß erscheint und beinahe den gesamten Flurfußboden einnimmt. Wenn die Hausherrin die Tür mühelos nach oben klappt, so funktioniert das, weil der mit Parketthölzern gefüllte Stahlrahmen von zwei Gasdruckfedern, ähnlich wie beim Autokofferraum, mit gehoben wird. Darunter führt eine breite Sandsteintreppe in die Tiefe. So breit, dass Radebeuls ehemaliger Denkmalschutzverantwortlicher Dietrich Lohse ziemlich sicher ist, dass hier einst Weinfässer in den Keller bugsiert wurden.

Lohse ist sich auch sicher, dass das Gebäude ein Winzerhaus war. Die Besitzer haben sich Flurkarten vom Ende des 18. Jahrhunderts besorgt. Darin ist genau an dieser Stelle ein kleines Gebäude vermerkt. Wann es genau errichtet wurde, ist nicht so richtig klar. Fest steht, dass der Gewölbekeller für sich gebaut wurde und das Haus selbst eine eigene Gründung hat. Auf einem alten Brett fanden die beiden einen Vermerk vom Umbau 1872. Die Umbauten werden den Radebeuler Gebrüdern Ziller zugeschrieben, sagt Dietrich Lohse.

Von ursprünglich 15 960 Quadratmetern ist das Grundstück inzwischen auf 1 970 Quadratmeter geteilt worden. Im Garten ist noch deutlich die Terrassenanlage erkennbar, auch anhand von Mauerresten aus Sandstein. Reichlich Aufgaben auch hier für die neuen Besitzer. Doch im Frühjahr soll zuerst die Fassade wieder verkleidet und eine Dämmung angebracht werden. Wenn sie es sich finanziell leisten können, komme der Anbau dran, wo früher Stall und Waschhaus waren. Dann könnten Räume wie Bad und Kinderzimmer erweitert werden.

Und Hexenhaus? Haben Andrea und Frank was gefunden? „Kein Münzschatz, keine Weinflaschen, nicht mal eine tote Katze.“ Lediglich sechs alte Bierflaschen von Radebeuler und Dresdner Brauereien, welche in einer Nische eingemauert und ausgetrunken waren und eine tote Maus sei zwischen den Deckenschüttungen gewesen. Eine Bitte gibt es noch: Wer noch was zur Geschichte des Hauses weiß oder gar Fotos hat, solle sich gerne melden.

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