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Balken werden wieder Bethaus

In Obercunnersdorf hat eine Rettungsaktion begonnen, für die es lange wenig Hoffnung gab.

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© Matthias Weber

Von Irmela Hennig

Ein kleiner Haufen alter Balken liegt im Hof der Obercunnersdorfer Baufirma Richter und Drewanz unweit von Löbau. Schwarzgrau sind sie, an einigen Stellen ist Holz abgesplittert. Anderen sieht man an, dass sie ordentlich nass geworden sind. Und doch gibt es eine Zukunft für die rund 100 Jahre alten Stücke. Zumindest für einige. Denn aus ihnen wird in Kombination mit neuem Material ein schlesisches Bethaus zusammengesetzt. Und zwar eines, das es schon gab – bis 2008 stand es, marode und verfallen, im polnischen Rz¹œnik (Schönwaldau) bei Z³otoryja (Goldberg).

Nun stellt die Bundesregierung 600 000 Euro für den Wiederaufbau eines Fachwerk-Kleinods bereit. Das Bethaus, eine Art Minikirche aus dem 18. Jahrhundert, wird im Park des polnischen Schlosses £omnica (Lomnitz) bei Jelenia Góra (Hirschberg) neu entstehen. Die Experten der Firma Richter und Drewanz kümmern sich um die anspruchsvolle Arbeit. Das international tätige Unternehmen ist auf Holzbearbeitung und Denkmalsanierung spezialisiert. Bis zum Herbst 2019 werden deutsche und polnische Handwerker mit dem Projekt beschäftigt sein. In der ersten Etappe wird noch dieses Jahr die Fachwerkholzkonstruktion errichtet. Danach folgen Dach, Emporen- und Innenausbau. Am Mittwoch fiel in Obercunnersdorf der Startschuss.

Das kleine Gebäude hat eine bewegte Geschichte – eine im Großen und eine kleine persönliche. Errichtet wurde es im 18. Jahrhundert, als die Preußen das schlesische Land in Besitz nahmen. Zuvor war es über Jahrhunderte von den katholischen Habsburgern regiert worden. Der protestantische König Friedrich II. wollte seine neuen Untertanen für sich gewinnen. Gerade auch seine evangelischen Glaubensgenossen, ohne jedoch den Katholiken ihre Privilegien zu nehmen. Er gestattete den Protestanten, Gemeinden zu gründen und auch kleine Gotteshäuser zu bauen.

Das Schönwaldauer Gotteshaus wurde 1748 eingeweiht und 1919 durch Blitzschlag zerstört. Trotz Weltwirtschaftskrise und Inflation errichteten es die Menschen neu – als einen „Prototyp eines schlesischen Bethauses“, so beschreibt es der Verein zur Pflege schlesischer Kunst und Kultur. Es sei das letzte Bethaus im Fachwerkstil in der Region überhaupt, bestätigt Elisabeth von Küster, die Schlossherrin von Lomnitz.

Nach dem Zweiten Weltkrieg, nach Flucht und Vertreibung der deutschen Protestanten, wurde das Haus als Obstlager genutzt und verfiel. 2008 begann die langwierige Rettungsaktion. Bei einem Glas Rotwein hatte der damalige niederschlesische Denkmalpfleger Wojciech Kapa³czyñski dem Lomnitzer Schloss- und Hotelbesitzerehepaar Elisabeth und Ulrich von Küster die Geschichte der Bethäuser erzählt. Und von ihrem Verschwinden berichtet. Denn viele Häuser waren im katholischen Polen zerstört, umfunktioniert oder dem Verfall preisgegeben worden. Dem wollten die von Küsters, die mit ihrem Schlossensemble selbst längst Denkmal-Retter sind, nicht tatenlos zusehen. Es gelang ihnen, zusammen mit Partnern, das Schönwaldauer Bethaus vor dem Abriss zu bewahren. Das marode Gebäude, dessen Dach längst eingebrochen war, sollte damals einer Lagerhalle Platz machen.

Statt entsorgt, wurde es nun Bauteil für Bauteil abgetragen, nummeriert und auf Schloss £omnica eingelagert. Lange versuchten die von Küsters zusammen mit dem Verein zur Pflege schlesischer Kunst und Kultur, Geld für den Wiederaufbau zu bekommen. Es gab ein Internetvideo, das vom Schicksal des Gebäudes berichtete. Es gab Förderanträge – die aber blieben erfolglos. Mithilfe von Spenden wurde 2011 der Grundstein gelegt und das Fundament errichtet, doch für weitere Arbeiten fehlte das Geld. Dann aber setzte sich der CDU-Bundestagsabgeordnete Michael Kretschmer für eine Förderung ein – mit Erfolg.

180 bis 200 Kubikmeter Holz – Lärche, Fichte und Tanne – werden nun verbaut. Eine Strecke von drei Kilometern würde sich ergeben, setzte man die Holzteile der Länge nach aneinander, erzählt Uwe Drewanz von der Baufirma. „Wir wollen das Bethaus zu einem Ort für kulturelle Veranstaltungen und Begegnungen machen“, kündigt Schlossherrin Elisabeth von Küster an. Eine multimediale Schau zur Geschichte der Bethäuser und zum Thema schlesische Toleranz soll entstehen.

vskschlesien.de