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Bad Schandaus neue Migrationsbeauftragte

Ein Verein gibt das Geld für die Eigenmittel. Von der Initiative profitieren auch alteingesessene Bewohner.

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© Norbert Millauer

Von Gunnar Klehm

Wer Roswitha Jensch durch die Kellerräume im Rathaus Bad Schandau huschen sieht, würde nicht darauf kommen, dass die 66-Jährige bereits Rentnerin ist. Genau genommen ist sie es seit diesem Monat auch nicht mehr. Denn die gelernte Kinderkrankenschwester ist jetzt die Migrationsbeauftragte in Bad Schandau. Befristet bis Ende dieses Jahres wurde dafür eine Stelle mit 15 Arbeitsstunden pro Woche geschaffen, die sie sich mit einer weiteren Frau teilt.

In der neu eingerichteten Kleiderkammer für Bedürftige im Keller des Bad Schandauer Rathauses hält sie einem kleinen Jungen eine Hose an. „Müsste passen“, sagt Roswitha Jensch, schickt den Jungen mit seiner Mutter aber vorsichtshalber trotzdem noch mal zur Anprobe in die improvisierte Umkleide. Die Wände sind noch vom letzten Hochwasser gezeichnet. An den Wänden stehen einfache, schmucklose Regale. Quer durch den Kellerraum hängt eine lange Garderobenstange an der Decke. Darauf hängen die gespendeten Jacken, Hosen oder Hemden. In einer Ecke ist Spielzeug aufgestellt. „Für die Kinder ist es wie ein Einkaufsbummel, wenn sie zu uns kommen“, sagt Roswitha Jensch.

Jeden Dienstag ist die Kleiderkammer von 16 bis 18 Uhr geöffnet. Für jedes mitgenommene Kleidungsstück muss symbolisch ein Euro bezahlt werden. Das Angebot gilt für alle sozial Bedürftigen. Bisher haben das aber vorwiegend die Flüchtlinge genutzt, die in der Region untergekommen sind. „Der Anteil der Einheimischen, die bisher zu uns gekommen sind, ist noch verschwindend gering“, sagt Frau Jensch. Auch am vergangenen Dienstag waren nur fünf Flüchtlingsfamilien da, um nach etwas Passendem zu stöbern.

Die Initiative zur Einrichtung der Kleiderkammer in den zuvor leer stehenden Kellerräumen im Rathaus kam von den ehrenamtlichen Flüchtlingshelfern. 23 Leute aus Bad Schandau und Umgebung machen derzeit dabei mit. Profitieren sollen davon aber auch alle Einheimischen, erklären die Helfer. Im direkten Sinne, wie mit der Kleiderkammer, aber auch indirekt, indem die Integration unterstützt wird, was mögliche Probleme für alle reduziert. „Wir sind froh, dass es jetzt diese Stelle gibt. Die Flüchtlingshilfe und Integration ist dadurch strukturierter und geregelter“, sagt Bad Schandaus Bürgermeister Thomas Kunack (WV Tourismus).

Finanziert werden die beiden 7,5-Stunden-Stellen hauptsächlich mit Fördermitteln der Sächsischen Aufbaubank (SAB). Die Stadt selbst muss nichts dazugeben, denn Projektträger ist der Verein Soziale und Kulturelle Interessengemeinschaft Krippen (Suki). Der betreibt unter anderem in dem Bad Schandauer Ortsteil eine Kindertagesstätte. „Wir haben ja schon Erfahrung mit der Integration von tschechischen Kindern“, sagt Werner Kirschner vom Vereinsvorstand.

Weitere Spenden werden gebraucht

Bereits im vergangenen Jahr stellte der Verein bei der SAB einen Antrag auf Fördermittel für einen „Beauftragten für Integration und Migration zur Umsetzung des Integrationskonzeptes im Gebiet der Verwaltungsgemeinschaft Bad Schandau“, wie es offiziell heißt. Die SAB hat den Verein schließlich als geeignet bewertet und die 15-Stunden-Stelle genehmigt, als eine der ersten überhaupt. „Wir hatten zwar ursprünglich mehr beantragt, sind aber trotzdem zufrieden, dass es geklappt hat“, sagt Kirschner.

Als die Möglichkeit für die Stelle da war, wurden die Vereinsmitglieder in einer Versammlung im Februar informiert. Würden die Mitglieder mitziehen? Immerhin müssen 1 700 Euro an Eigenmitteln aufgebracht werden. „Wir haben mit allen gesprochen, wie wir das umsetzen können. Da gab es keine negativen Stimmen“, sagt Vereinsvorsitzender Volker Hengst. Über Spenden soll das Geld aufgebracht werden. „Notfalls hilft auch die Stiftung von mir und meiner Frau“, sagt Kirschner.

Arbeit gibt es genug. Die Hauptaufgabe der Migrationsbeauftragten ist aber nicht die Kleiderkammer. Am Markt 10 soll in einem Büro ein Anlaufpunkt eingerichtet werden. Hier können sich Paten Rat holen, die Flüchtlingsfamilien betreuen aber auch die Flüchtlinge selbst. Für die Ausstattung wurden ausrangierte Möbel und ein Kopierer gespendet. In der Kleiderkammer werden noch Sachen für Schwangere oder gut erhaltene Fußballschuhe gebraucht. „Sobald Vertrauen aufgebaut ist, geht es mit der Integration auch voran. Das ist unsere Erfahrung“, sagt Roswitha Jensch.