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„Autofahrer sind keine Terroristen“

Ein Rechtsanwalt aus Niedersachsen nimmt den Kampf gegen das Landratsamt auf. Er wehrt sich gegen den Bescheid nach einem Blitzerfoto.

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© Archiv/Claudia Hübschmann

Von Ulf Mallek

Meißen. Joachim Lutze aus einem Ort in der Nähe von Celle ist mit seinem Auto geblitzt worden. Im Landkreis Meißen. Wo genau, vermag er jetzt nicht zu sagen. Aber ganz sicher weiß er: Der Bescheid aus dem Landratsamt ist falsch. Denn er saß gar nicht am Steuer und erhält ein fremdes Foto zugeschickt. Das verstößt doch gegen den Datenschutz. Außerdem fehlt dem Bescheid eine Rechtsmittelbelehrung. „Der Landkreis Meißen handelt hier nicht rechtmäßig“, sagt Lutze der SZ.

Joachim Lutze, von Beruf Rechtsanwalt und Justiziar bei einem Verband freier Handwerker in Celle, ist ein bereits langjähriger Kämpfer gegen behördliche Radarfallen. Landratsämtern oder Kommunen stellen sie seiner Meinung nach nicht aus verkehrserzieherischen Gründen auf, sondern um ihre Kassen zu füllen. Und tatsächlich: Allein die insgesamt zwölf fest installierten und sechs mobilen Blitzer des Landratsamtes erwirtschaften im Jahr etwa 2,2. Millionen Euro. Dabei verstößt die Behörde laut Lutze gegen Recht und Gesetz.

Der Sachgebietsleiter im Meißner Ordnungsamt Alexander Strelec sieht das ganz anders. In seinem Amt werde strikt nach den Gesetzlichkeiten gehandelt. Strelec: „So weit nicht davon auszugehen ist, dass der Fahrzeughalter nicht selbst Fahrzeugführer ist, erhält dieser eine Anhörung zum Tatvorwurf mit Übermittlung des Fahrerbildes und wird belehrt. Liegen Anhaltspunkte vor, dass der Fahrzeughalter nicht Fahrzeugführer ist, erhält der Fahrzeughalter einen Zeugenfragebogen mit Übermittlung des Fahrerbildes und wird als Zeuge im Ermittlungsverfahren aufgefordert, den tatsächlichen Fahrzeugführer zu benennen. Die Übermittlung des Fahrerbildes, so Strelec, erfolgt auf der Grundlage des sächsischen Datenschutzgesetztes. Denn wie anders soll denn der richtige Fahrer ermittelt werden?

Ganz eindeutig ohne Foto-Verschickung, sagt Lutze. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht schon im Jahr 2010 festgestellt, dass solche amtlichen Personenfotos rechtmäßig sind. Die Sicherheit im Straßenverkehr steht über dem Grundrecht der informationellen Selbstbestimmung. Aber das höchste deutsche Gericht hat laut Lutze nicht gesagt, dass solche Fotos an Fremde verschickt werden dürfen. Rechtliche Grundlage der Fotoverschickung ist der Paragraf 100h der Strafprozessordnung. Er legitimiert das Anfertigen von Bildaufnahmen zu Observationszwecken. Bei dem Paragrafen handelt es sich um eine Anti-Terrormaßnahme. Und dieser Paragraf muss jetzt herhalten für die Bestrafung von Autofahrern, die zehn km/h zu schnell gefahren sind? fragt Lutze. Und weiter: „Ich kenne einige Richter, die es ablehnen, auf der Grundlage dieses Paragrafen zu urteilen. Sie sagen: Autofahrer sind doch keine Terroristen.“

Das Problem, so Lutze, ist der Missbrauch der behördlich erhobenen Daten. Ein eifersüchtiger Ehemann bekommt so mit, dass seine Frau gar nicht bei ihrer Mutter war, sondern bei einem Liebhaber. Oder der Arbeitgeber bemerkt, dass sein Mitarbeiter früher Feierabend gemacht hat. „Das Verschicken einer Anfrage nach der Identität des Fahrers würde auch ohne Foto gut funktionieren“, sagt Lutz. Er will jetzt Akteneinsicht in seinem Fall. Dann vors Gericht ziehen. Er ist recht siegesgewiss.