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Aus für die Tropfsteinhöhle

Aus Großenhains neuer Sehenswürdigkeit wird wohl nichts. Das Gewölbe soll verfüllt werden. Das Bauwerk wird dann wohl ein Rätsel bleiben.

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© Kristin Richter

Von Jörg Richter und Kathrin Krüger-Mlaouhia

Großenhain. Die Tage für die Großenhainer Tropfsteinhöhle sind gezählt. Bald soll es in dem Gewölbe, das Bauarbeiter Anfang letzter Woche bei Schachtarbeiten gefunden haben, keine Stalaktiten und Stalagmiten mehr geben. Sie werden abbrechen. Denn das unterirdische Gemäuer soll komplett verfüllt werden. Darauf haben sich Statiker, Bauleute, Denkmalschutz und die Wasserwirtschaft Riesa-Großenhain, die an dieser Stelle neue Trinkwasserleitungen verlegen lässt, verständigt.

Auf diesem historischen Foto ist sein oberer Teil als Strommast 1929 vor dem Sachsenhof zu sehen.
Auf diesem historischen Foto ist sein oberer Teil als Strommast 1929 vor dem Sachsenhof zu sehen. © Postkarte: Hartmut Jannasch

Das Gewölbe soll mit einem „Dämmer“ verfühlt werden. So nennen die Bauspezialisten einen betonähnlichen Baustoff, der wegen seiner besonderen Fließeigenschaften sehr gut für das Verfüllen unterirdischer Hohlräume geeignet ist. „So hat es der Statiker vorgeschlagen“, sagt Wassermeister Konrad Zscheile. Sowohl die Stadt als auch das Landesamt für Archäologie seien damit einverstanden gewesen.

Das Loch, das von dem Gewölbe in die noch vorhandenen Keller des ehemaligen „Sachsenhofes“ führte, soll verschalt werden, damit der Dämmer nicht auch noch dort hinein fließt. Das würde noch mehr von diesem Baustoff benötigen und die Kosten in die Höhe treiben. Ohnehin muss die Wasserwirtschaft wegen des entdeckten Gewölbes mehr Geld ausgeben als eingeplant. Im Bereich, wo die Bauleute der Tieku Mühlbach gebaggert haben, soll ein Schutzrohr verlegt werden, durch das anschließend die Wasserleitung führt.

Die Arbeiten sollen so rasch wie möglich, spätestens aber in den nächsten zwei Wochen durchgeführt werden. Denn die Kreuzung am Optiker Faust muss bald wieder freigegeben werden – wahrscheinlich Anfang Juni. Der Baustopp ist aufgehoben. Noch liegt es an den bestellten Baustoffen, die noch nicht verfügbar sind. Durch den Dämmer wird dann aber auch der Stahlträger verfüllt, den die Bauarbeiter in dem Gewölbe entdeckten. Er wurde wahrscheinlich vor etwa 100 Jahren als Strommast aufgestellt. Auf einer alten Postkarte vom „Sachsenhof“ von 1929 ist er zu sehen.

Was hat es nun aber mit dem gemauerten Gewölbe auf sich? Dass diese Kellergewölbe bis unter die Mozartallee reichen, war Lutz Pfennig, dem ehemaligen Leiter des Großenhainer Stadtbauhofes, bekannt. Bei früheren Verlegungsarbeiten unter dem Fußweg sei man schon auf diese Gewölbe gestoßen. Aber mit dem „Sachsenhof“ haben sie eher nichts zu tun.

Hinweise könnte ein kurzer Text des früheren Museumsleiters Kurt Schwandt aus der Beilage „Aus der Heimat“ von 1933 geben. Darin heißt es: „Beim Schleusenbau sind vor dem Sachsenhof alte verschüttete Gewölbe angeschnitten worden, um deren Größe und Zweck vielerlei Gerüchte im Umlauf sind.“ Deren Zustand wird folgendermaßen beschrieben: „Es wurden zwei Brückenbogen aus Bruchsteinwölbung durchschnitten, zwischen beiden steht ein sehr starker Brückenpfeiler. Wir haben die alte Meißner Torbrücke vor uns, die in einer Länge von neun Metern und einer Breite von knapp fünf Metern den Stadtgraben kreuzte. Neben dem sehr alten Bruchsteinwerk mündet ein enger hoher Gang ein, der genau von Norden kommt, am Brückenpfeiler im rechten Winkel umbiegt und ziemlich genau nach Westen weitergeht. Er ist nach circa fünf Metern vermauert. Verfolgt man seinen Lauf nach Norden, so trifft man nach reichlich vier Metern auf eine Sperrmauer, die quer hineingebaut ist. Es ist die Grundmauer des Sachsenhofes.“

Danach erklärt der Autor einen Zusammenhang mit einem Tunnel des Nonnenklosters, der auch in der SZ schon vermutet wurde. Er schreibt: „Im Keller des Sachsenhofes ist das Tonnengewölbe des schmalen Laufganges roh abgeschlagen. Der Ziegelbruch ragt noch frisch hinein. Da im tiefsten Keller des Gesellschaftshauses genau derselbe Gang vermauert ist, so haben wir zweifellos einen dem Nonnenkloster gehörigen geheimen Ausfluchtsweg vor uns, den ein alter Bauriss (siehe Chronik!) aufweist. Merkwürdigerweise verbreitert sich der Gang dicht an der Meißner Torbrücke zu einem breiten Kellerraum, der den Spuren nach noch vor einem Menschalter als Kohlenkeller gedient haben muss.“

Schwandt vermutete also schon 1933, dass das Gewölbe ein Geheimgang vom Nonnenkloster war. 84 Jahre später wird er wiederentdeckt – und zubetoniert.