Von Linda Barthel
Der Angeklagte trägt Jeans, ein blaues Hemd und Handschellen. Zwei breitschultrige Polizisten führen ihn an seinen Platz. Während sich der Mann mit starrem Blick neben seinen Verteidiger setzt, löst auf der gegenüberliegenden Seite die Kamera aus. Immer wieder blitzt es. Der SZ-Fotograf will ein Bild, auf dem der Autohehler aus Nordböhmen möglichst genau zu sehen ist. Der versucht indes, sein Gesicht mit der Hand abzuschirmen. Trotzdem gelingt dem Fotografen ein guter Schuss.
In wenigen Minuten erfährt der Angeklagte, zu welcher Strafe ihn das Dresdner Landgericht verurteilt. Der Staatsanwalt hat zehn Jahre gefordert. Noch ist die Richterbank unter dem grün-goldenen Sachsen-Wappen leer. Auf der anderen Seite des Raumes haben dagegen schon einige Gäste und Pressevertreter Platz genommen. Notizbuch und Stift sind gezückt, als die beiden Richter gemeinsam mit ihren Schöffen den Saal betreten. Nachdem sich alle erhoben haben, verkündet der Richter die Strafe. „Im Namen des Volkes ergeht folgendes Urteil ...“ Für den Autohehler aus Usti nad Labem lautet es achteinhalb Jahre Gefängnis. Der Angeklagte zeigt kaum eine Regung, als ihm der Dolmetscher den Richterspruch ins Tschechische übersetzt.
Anders sieht es beim Publikum aus. Konzentriert füllen die Journalisten ihre Notizblöcke, legen den Kugelschreiber nur kurz zur Seite, um ihre Kollegen per Kurznachricht über das Urteil zu informieren. Knapp eine Stunde lang beschreibt der Richter, wie der Angeklagte über Jahre hinweg Geschäfte mit gestohlenen Fahrzeugen machte, sich dadurch unter anderem ein schickes Anwesen mit Pool und Tennisplatz am Elbhang leisten konnte. Der Angeklagte – die beiden Polizisten im Rücken – hebt nicht einmal den Blick. Für ihn ist die Situation nicht neu. Es ist bereits der zweite Prozess, der dem Tschechen gemacht wird. Im Winter wurde er am Amtsgericht bereits wegen Hehlerei zu drei Jahren Haft verurteilt.
Der DDV-Erlebnistag
Endlich kann der Angeklagte den Kopf wieder heben. Der Richter hat die Sitzung geschlossen. Einige Journalisten gehen zu den Prozessbeteiligten, um die eine oder andere Nachfrage zu stellen. Der Angeklagte bleibt währenddessen an seinem Platz und unterhält sich leise mit seinem Verteidiger. Der Dolmetscher übersetzt weiterhin geduldig jedes Wort. Danach geht es für den Verurteilten zurück ins Gefängnis. Die Journalisten machen sich derweil auf den Weg in ihre Redaktionen.
Der nächste Teil erscheint am Sonnabend.