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Auf Tillich-Besuch folgt Rangelei

Seit Tagen protestieren Asylgegner vor einem Flüchtlingsheim in Freital und liefern sich verbale Attacken mit Gegendemonstranten. Nach dem kurzen Besuch des Ministerpräsidenten tauchen am Abend rechte Provokateure auf und kassieren Anzeigen.

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Dresden. Nach tagelangen Protesten und teils gewaltsamen Auseinandersetzungen macht Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) den Streit um eine Asylbewerberunterkunft in Freital zur Chefsache.

Ankunft.
Ankunft. © Thomas Kretschel
Begrüßung.
Begrüßung. © dpa
Erklärung.
Erklärung. © Thomas Kretschel
Abgang.
Abgang. © Thomas Kretschel

Am späten Nachmittag erreichte die Limousine des Ministerpräsidenten wie angekündigt die Asylunterkunft. Um pünktlich zu sein, musste die Polizei zuvor den Verkehr erheblich regeln, denn der Andrang von Demonstranten und Schaulustigen hatte in den vorangegangene Stunden konstant zugenommen. Die Polizei ist seit Tagen mit einem großen Kontingent von Beamten vor Ort, um einer möglichen Eskalation der Situation vorzubeugen.

Den zahlreichen Journalisten gegenüber verwies Tillich auf den „enormen Zustrom“ an Flüchtlingen, der auch andernorts in Deutschland und Europa eine große Herausforderung sei. „Völlig inakzeptabel sind aber Drohungen, Hetze und Gewalt gegen Bürgermeister und Landräte, die sich engagieren, für eine menschenwürdige Unterkunft zu sorgen“, sagte Tillich. Laut Innenministerium hatte es zuvor Drohungen gegen Freitals Oberbürgermeister Klaus Mättig (CDU) gegeben. Hier würden „Recht und Gesetz ihre volle Anwendung finden“, sagte der Ministerpräsident.

Zur aktuellen Flüchtlings-Situation sagte er, dass täglich 140 neue Asylbewerber in Sachsen unterzubringen seien, und die Zahl werde wohl weiter steigen. Tillich schüttelte zwar einigen Asylbewerbern die Hände, verzichtete aber auf einen Kommentar zu den verbalen Attacken gegen die Flüchtlinge in Freital oder anderswo in Sachsen. Er verwies lediglich auf die Gewährleistung fairer Asylverfahren in Verbindung mit einer konsequenten Abschiebepraxis, sollten die Bescheide negativ sein.

Die Opposition hatte der Staatsregierung und insbesondere Innenminister Markus Ulbig (CDU) vorgeworfen, durch Nichtanwesenheit in Freital ihre Aufgaben zu vernachlässigen. Tillich ging auf die Vorwürfe ein und sprach von Kommunikationspannen im Vorfeld der Umnutzung des Asylbewerberheims. Seit Montag dient das ehemalige Leonardo-Hotel als eine von sechs Außenstellen der sächsischen Erstaufnahmeeinrichtung in Chemnitz. Die gilt als völlig überfüllt und musste die Neuankömmlinge zuletzt in Zelten unterbringen.

Um diesen Zustand zu beenden, verfügte die verantwortliche Landesdirektion, die Aufnahmekapazität des Asylbewerberheims in Freital zu erhöhen und das Haus als neue Außenstelle von Chemnitz zu nutzen. Die anderen fünf Häuser befinden sich in Grillenburg (Sächsische Schweiz-Osterzgebirge), Schneeberg (Erzgebirge), Böhlen (Landkreis Leipzig) sowie in Meißen und Görlitz. Insgesamt sind dort fast 3 000 Flüchtlinge untergebracht. Für die Zukunft versprach Tillich eine bessere Informationspolitik.

Am Donnerstag war die Unterkunft in Freital nach Angaben der Landesdirektion mit 279 Flüchtlingen, die sich noch im Stadium der Erstaufnahme befinden, nahezu voll belegt. Außerdem hat der Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge dort weitere 100 Asylbewerber untergebracht.

Vor seiner Abreise sah es kurz so aus, als würde Tillich das Gespräch mit den Demonstranten suchen. Doch dann schwenkte sein Tross zu den Autos und die Stippvisite war beendet. Zurück blieben viele Polizisten und Demonstranten, die sich in gewohnter Weise weiter belagerten. Plötzlich aber tauchten einige Männer vor dem Hotel auf, offensichtlich aus der rechten Szene. Sie gingen auf die Männer mit den Deutschlandfahnen los und lieferten sich ein kurzes Handgemenge mit den Asylgegnern, dessen Auslöser unklar bleibt. Dabei kam es laut Polizei zu einer Körperverletzung, als eine 31-jährige Frau einem 21-jährigen Mann einen Kopfstoß verpasste.

Die demoralisierten Asylgegner zogen sich danach zurück. Die Angreifer stellten sich anschließend provozierend vor den Polizisten auf und zumindest einer von ihnen rief „Sieg heil“. Wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen muss sich der 36-Jährige nun gegenüber der Justiz verantworten, meldet die Polizeidirektion Dresden. Ansonsten sei es der bisher ruhigste Abend der Woche gewesen, die 100 Asylgegner und die 100 Asylbefürworter hätten sich friedlich verhalten, und als es dunkel wurde, fuhren alle wieder heim. (szo)