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Auf Rattenjagd

Coswig und Radebeul gehören zu den ersten in Deutschland, die ein neues Gerät mit weniger Gift und Zählgerät testen.

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© Norbert Millauer

Von Peter Redlich

Radebeul/Coswig. Schätzungen sagen, auf jeden Coswiger und jeden Radebeuler kommt eine Ratte. Ob das genau stimmt, weiß keiner wirklich. Fakt ist aber, sie sind da – vor allem in den Kanälen unter den Straßen und Grundstücken der beiden Städte. Sie vermehren sich rasant, vor allem dort, wo Abfälle in die Kanalisation gelangen – bei Imbissbuden und Gaststätten, aber auch dort, wo viele Leute auf einmal wohnen. Sie müssen gejagt werden, damit sie sich nicht noch mehr vermehren.

Ab sofort testen die Wasser Abwasser Betriebsgesellschaft Coswig mbH (WAB) und die Wasserversorgung und Stadtentwässerung Radebeul GmbH (WSR) gemeinsam eine neue Technik, um gegen die Allesfresser vorzugehen. Ralf Baar ist der Rohrnetzmeister für das Kanalnetz beider Städte: „Bisher hängen wir übers Jahr 300 Giftköder an Drähten in die Kanäle. Die Ratten fressen daran und verenden.“ Die Methode ist aufwendig. Das Gift relativ hoch dosiert. Straße absperren, Kanaldeckel hochheben, Köder wechseln oder überhaupt nachsehen, ob an diesem Standort wirklich viele Ratten vorkommen.

Viel Gift gelangt so über das Kanalwasser Richtung Klärwerk und in die Elbe. Beides lässt sich verringern – der Aufwand und die Kontrolle, wie auch die Giftmenge. Die fränkische Firma ball-b GmbH & Co KG aus Schwaig hat ein eimerförmiges Gerät konstruiert, welches in den Kanal eingesetzt wird und auch von Kanaleingang zu Kanaleingang versetzt werden kann.

Das Prinzip erklärt Firmengründer und Geschäftsführer Jürgen Buchstaller: Die Ratte wird durch einen Köder im Innern angelockt. Im Gerät, welches sich Toxprotect nennt, ist eine schmale Öffnung am Boden. Dort kriecht die Ratte rein. Von einem Sensor wird alles gezählt, was in den Eimer reingeht.

Ein Sender überträgt die Ablesewerte bis zu vier Meter nach draußen. Die WAB- und WSR-Mitarbeiter müssen keinen Kanaldeckel mehr heben und können sogar aus dem Auto heraus per Funkkontakt feststellen, wie viele Ratten an der bestimmten Stelle aufgetaucht sind. Bei steigendem Wasser – etwa starker Regen oder Hochwasser – verschließt ein Schwimmer die Bodenöffnung.

Drei bis vier Wochen brauchen die Ratten, um sich an die Neuigkeit im Kanal zu gewöhnen, sagt Buchstaller. Dann kriechen sie rein und fressen am Köder. Der Ingenieur hat nach viereinhalb Jahren Entwicklungszeit und einem halben Jahr Testlauf in mittlerweile 40 deutschen Städten die Fakten und Geräte parat.

Der neue Köder ist auch so präpariert, dass die Ratte nicht sofort krepiert, sondern erst nach etwa fünf Tagen. Bis dahin gibt sie Signale an die Artgenossen, dass es hier was holen gibt. Die geringere Giftdosierung, so der Erfinder des Toxprotect-Geräts, sorgt dafür, dass auch bis zu 70 Prozent weniger Gift ins Abwasser und die Elbe gelangt als bisher.

Die Coswiger und Radebeuler Abwasserexperten sind auf die modernen Rattenfänger neugierig geworden. Vor einigen Tagen wurde das erste Toxprotect-Gerät am Lachenweg in Coswig eingebaut – nördlich vom Wohngebiet Dresdner Straße. Hier sei mit einer Rattenpopulation zu rechnen. Das zeigt sich schon an den alten Ködern, die abgefressen aus dem Kanal gezogen worden sind.

Rohrnetzmeister Baar und seine Mitarbeiter wollen jetzt an verschiedenen Standorten testen, wie die neuen Geräte bei den Ratten, aber auch in der Handhabung bei den WAB- und WSR-Leuten ankommen. Baar: „Ich denke, dass die Testphase bis zum Winter dauern wird.“

Interesse an den Ergebnissen zeigt auch Gesa Richter von der Firma Ingenieurgesellschaft für Rohrleitungssanierung mbH Sachsen aus Boxdorf. Die Firma baut Geoinformationssysteme auf, die Städte und Gemeinden nutzen können. Ratten zerfressen sogar Beton und gehen dort rein, wo schon Risse sind.

Wenn das neue Gerät für den Rattenfang mit dem Sensor so wie versprochen funktioniert, dann könnten auch weniger Schäden auftreten. Funktioniert alles wie geplant, dann wollen die Coswiger zehn solcher Toxprotect-Installationen im Stadtgebiet einbauen. Radebeul will in seinem Netz 15 Geräte einsetzen.

Rund 400 Euro kostet eine der Neuanschaffungen. Im Jahr würden etwa 100 Euro gegenüber dem bisherigen Aufwand gespart, sagt Buchstaller. Womit sich das Gerät rein rechnerisch in vier Jahren bezahlt gemacht hätte. Hinzu komme obendrein, dass mittels des Sensorzählers auch Rattenpopulationen viel genauer eingegrenzt und verfolgt werden können. Und, so Rohrnetzmeister Ralf Baar, auch die Bevölkerung und Betriebe können gezielter darauf hingewiesen werden, eben keine Abfälle ins Kanalnetz zu schütten. Das wäre ohnehin die beste Rattenvermeidung.