Von Marco Henkel
Martin Luther kam gerne nach Torgau. Mehr als 40 Mal reiste der Kirchenreformator von seiner Heimat Wittenberg in das rund 50 Kilometer entfernte Städtchen in Nordsachsen. „Torgaus Bauten übertreffen in ihrer Schönheit alle aus der Antike, selbst der Tempel des Königs Salomo war nur aus Holz“, schwärmte er laut Überlieferung beim Anblick der Stadt mit ihrem Schloss Hartenfels – dem größten vollständig erhaltenen Renaissance-Schloss Deutschlands.
SZ-Entdeckertour in Torgau
Gestern wandelten über 2 500 Leser der Sächsischen Zeitung auf Luthers Spuren und konnten sich vor Ort mit eigenen Augen von der Schönheit der 20 000-Einwohnerstadt und ihres Schlosses überzeugen. Sie alle waren dem Aufruf zur SZ-Entdeckertour gefolgt, die dieses Mal in die ehemalige Residenzstadt führte.
Ein Zentrum der Reformation
Dort zeigen die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden noch bis zum 31. Oktober – verteilt auf fünf Orte – rund um das Schloss die Ausstellung „Luther und die Fürsten“. Es ist der Auftakt zum 500. Reformationsjubiläum in zwei Jahren.
Damals, im Jahr 1517, schlug Martin Luther seine 95 Thesen, in denen er den Handel mit Ablassbriefen anprangerte, an die Schlosskirche in Wittenberg. Auf Schloss Hartenfels wurde die öffentlichkeitswirksame Aktion damals im Geheimen vorbereitet und die Thesen auf Papier gedruckt. Ein Originalexemplar von damals ist jetzt an seinen Entstehungsort zurückgekehrt – als Leihgabe eines Schweizer Literaturmuseums. Der Druck zeigt, dass Torgau der politische Ausgangspunkt der Reformation war. Hier residierten die sächsischen Kurfürsten, die zu den ersten Unterstützern Martin Luthers gehörten.
Doch das seltene Dokument ist nur eines von rund 200 Exponaten, die Leihgeber aus Deutschland, Europa und sogar den USA für die Ausstellung zur Verfügung stellten. Zusammen geben sie einen eindrucksvollen Einblick in die Zeit der Reformation und in die Auswirkungen von Luthers Ideen auf die Politik.
Ein besonders wertvolles Ausstellungsstück hatte da einen vergleichsweise kurzen Anreiseweg: Die Mitra aus der Dresdner Rüstkammer, einst im Besitz des Kardinals Albrecht von Brandenburg – einem der größten Gegenspieler Martin Luthers. Sie ist das vielleicht prunkvollste Exponat der Ausstellung. Die Bischofsmütze ist so dicht mit Edelsteinen und Perlen verziert, dass sie fast zwei Kilogramm wiegt. Ein eindrucksvolles Beispiel für die Prunksucht der Kirchen, gegen die Martin Luther seinerzeit so vehement protestierte. Kein Wunder, dass Luthers goldener Siegelring, der im Kurfürstlichen Gemach des Schlosses ausgestellt ist, sehr bescheiden wirkt. Genauso wie die Schlosskapelle, in der Luther einst selbst predigte.
Doch auch abseits der Ausstellung gab es für die SZ-Entdecker jede Menge zu sehen. Vom Hartmannsturm bot sich ein wundervoller Blick über die ganze Stadt, und auch über die Ställe der drei Torgauer Bären. Zu denen haben sonst nur die Tierpfleger Zugang. Gestern wurden sie extra für die SZ-Leser geöffnet.
Angelockt durch Nüsse, die ihnen eine Tierpflegerin ab und zu zuwarf, kamen die beiden zweijährigen Bären Benno und Bea immer wieder so dicht an die Gittertür, dass die Besucher ihnen ganz tief in die Augen schauen konnten. Die SZ-Entdecker konnten sich so auch gleich davon überzeugen, dass die beiden Jungbären ihre anfängliche Scheu abgelegt haben und sich in Torgau bereits heimisch fühlen.
Dabei dürfen sie erst seit wenigen Tagen nach Draußen in den Burggraben. Nachdem die beiden Anfang des Monats aus einem Tierpark in Nordrhein-Westfalen nach Torgau gekommen waren, mussten Benno und Bea zur Eingewöhnung eine Weile in ihren Ställen bleiben. Dass sie ihre neue Freiheit genießen, war deutlich zu sehen. Ohne Unterlass tollten sie durch das Gehege oder buddelten in der Erde. Die 27-jährige Braunbärendame Jette ließ es dagegen ruhiger angehen. Sie beobachtete das Treiben ihrer Artgenossen getrennt durch ein Gitter von der anderen Seite des Burggrabens. Den ungewöhnlich starken Besucheransturm nahm sie gelassen.