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Auf dem Holzweg

Der Forstbezirk Bärenfels wollte in Schellerhau Waldflächen fit machen. Dabei ist er übers Ziel hinausgeschossen.

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© Frank Baldauf

Von Mandy Schaks

Schellerhau. Nur einen Katzensprung von der Hauptstraße in Schellerhau entfernt liegt ein kleines Naturparadies: Die Rote Weißeritz murmelt leise durch eine nahezu unberührte Landschaft, starke, alte Fichten säumen den Bachlauf, der schmale Weg, der so aus der Zeit gefallen scheint, dass er nicht einmal einen Namen hat, schlängelt sich die Weißeritztalhänge hinab über knorrige Wurzeln, Holzstege und kleine Brücken. Nicht nur Dietrich Papsch liebt diesen Pfad, den er gern mit seiner Labradorhündin Anka entlang spaziert. Doch als der 79-Jährige vor ein paar Tagen aus dem Urlaub zurückkam und auf seinen Lieblingsweg einbog, glaubte er, auf dem Mond gelandet zu sein.

Der romantische Wanderweg ist erst einmal dahin: Baumstümpfe und Matsch rauben der Idylle ihren Charme. Der Forst ist jetzt um Schadensbegrenzung bemüht.
Der romantische Wanderweg ist erst einmal dahin: Baumstümpfe und Matsch rauben der Idylle ihren Charme. Der Forst ist jetzt um Schadensbegrenzung bemüht. © Frank Baldauf
Der romantische Wanderweg ist erst einmal dahin: Baumstümpfe und Matsch rauben der Idylle ihren Charme. Der Forst ist jetzt um Schadensbegrenzung bemüht.
Der romantische Wanderweg ist erst einmal dahin: Baumstümpfe und Matsch rauben der Idylle ihren Charme. Der Forst ist jetzt um Schadensbegrenzung bemüht. © Frank Baldauf

Flussabwärts, ab der zweiten Brücke nach dem Auggener Steg, wurden mächtige Fichten abgeholzt. Damit sich die schwere Forsttechnik die Bäume am nahen Ufer greifen konnte, walzte sie durch den angrenzenden dichten Wald, riss Schneisen in den Bestand und quetschte stellenweise den Boden auf dem Wanderpfad zu Brei. „Als ich das gesehen habe, erfassten mich Entsetzen und Traurigkeit“, sagt Papsch. „Denn ein wunderbarer Ort der Erholung ist nachhaltig geschädigt.“ Was hier passierte, sei auch nicht mehr mit wirtschaftlicher Notwendigkeit zu begründen, also dass der Staatsbetrieb Sachsenforst auch Holz ernten und verkaufen muss. Das sei ein Schlag gegen die Tourismusbranche. Schellerhau mit gerade mal gut 400 Einwohnern lebe vor allem vom Fremdenverkehr. Jährlich sind um die 50 000 Urlauber in dem Erholungsort zu Gast. Immer wieder lassen sich die Schellerhauer etwas einfallen, um auf sich aufmerksam zu machen und neue Gäste anzulocken. So fiebern sie schon jetzt der 475-Jahrfeier 2018 entgegen, um den Ort besonders schön ins Licht zu rücken. „Und dann das!“, schimpft Papsch. „Da passt so etwas überhaupt nicht rein.“ Der rüstige Pensionär hebt seinen Nordic-Walking-Stock und lässt ihn auf einen der Baumstümpfe plumpsen. Vorsichtig schiebt er dann die Spitze über die Oberfläche und zählt die Jahresringe. „Die Bäume, die gefällt wurden, sind 80 bis 100 Jahre alt“, sagt er und fügt hinzu: „Die meisten waren kerngesund.“

Dass diese alten Fichten unter die Säge gekommen sind, ärgert auch Ortsvorsteher Ingo Rümmler. „Ich komme selber aus dem Handwerk“, sagt er, „ich weiß, dass auch Holz geerntet werden und der Wald Ertrag bringen muss. Aber das Wie war nicht in Ordnung.“ An schönster Stelle seien Bäume gefällt worden, von denen die meisten noch gesund waren. Dazu komme, dass bei der Aktion auch Bäume Schaden nahmen, die erst vor 25 Jahren gepflanzt wurden. „Wir sind Touristenort, haben viele Gäste, bissel sensibler hätte man vorgehen können“, sagt Rümmler.

Dem Verursacher ist die Angelegenheit inzwischen ziemlich unangenehm. Was der Forstbezirk Bärenfels als Holzernte-, Waldpflege- und Waldentwicklungsmaßnahme in dem Gebiet begann, ist im Bereich des Wanderweges aus dem Ruder gelaufen. Da redet der Staatsbetrieb auch gar nicht drum herum. „Weniger wäre in dem Fall mehr gewesen“, sagt Sprecherin Kristina Funke. „Aber wir können die Bäume nun nicht wieder hinstellen.“ Wie es dazu kam, erklärt sie so: Wenn die Technik einmal anrückt, wird aus Gründen der Effizienz immer geschaut, welche Flächen in dem Zug gleich noch mitbearbeitet werden können. Vor Ort sei dann entschieden worden, Altfichten zu entnehmen und damit am Bach eine standortgerechte Waldentwicklung zum Beispiel mit Erlen und Weiden zu ermöglichen. Allerdings habe es hier bei der Vorbereitung und Durchführung an der gebotenen Sensibilität gefehlt. Das räumt Forstbezirksleiter Dr. Sven Irrgang klipp und klar ein und hat sich dafür persönlich bei Dietrich Papsch entschuldigt. „Die hier das Landschaftsbild mit prägenden Altfichten entlang des Wanderweges hätten maximal in kleinteiligen Bereichen bis zur Etablierung der erforderlichen Einbringung bachbegleitender Neuanpflanzungen entnommen werden dürfen.“ Die Schäden am Weg sollen nun in den nächsten Tagen beseitigt werden. Zudem kündigt Irrgang Waldpflegemaßnahmen und fürs Frühjahr 2018 Pflanzungen an. In dem Bereich sollen an den Standort angepasste Bäume „in ausreichender Größe und Anzahl“ in die Erde gebracht werden.