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Artenschützer finden Giftschlangen in Plattenbauwohnung

Die Szenerie erinnert an einen Horrorfilm: In einer Wohnung sind viele Gifttiere sich selbst überlassen und nur unzureichend gesichert. Tierschützer fordern nun gesetzliche Regelungen.

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Berlin/Oberlungwitz. Tierschützer haben in einem Plattenbau im westsächsischen Oberlungwitz einen regelrechten Zoo mit Gifttieren gefunden und noch mehrere von ihnen vor dem Tod bewahren können. Der 54 Jahre alte Besitzer der Wohnung hatte sechs Schlangen zusammen mit einer Krustenechse sowie 60 Skorpionen und Vogelspinnen zurückgelassen, als er ins Krankenhaus kam und dort starb, teilte die Artenschutzorganisation „Aktion Tier“ am Montag in Berlin mit. Einige Spinnen, Skorpione und Futtertiere seien verhungert oder verdurstet. Die Terrarien hätten in keiner Weise den Anforderungen entsprochen.

Die Tierschutzorganisation war von Angehörigen des Mannes um Hilfe gerufen worden. Nach deren Angaben hatte der 54-Jährige sehr zurückgezogen gelebt und auch niemanden darüber informiert, dass er wegen einer Krebserkrankung ins Krankenhaus musste. Deshalb konnten die Tiere nicht versorgt werden. „Wir fanden in der Wohnung mehrere tote giftige Skorpione, die aus ihren Behältern entkommen waren. Da wir nicht sicher sein konnten, nicht doch noch auf ein lebendes, freilaufendes Gifttier zu stoßen, gingen wir äußerst vorsichtig vor“, schilderten die Tierschützer die Situation.

Klapperschlangen, Kobra und Todesotter

Sie fanden drei Seitenwinder-Klapperschlangen, eine Texas-Klapperschlange, eine Schildkobra und eine Todesotter. „Der Biss aller vier Schlangenarten ist potenziell lebensgefährlich. Hinzu kam, dass die Tiere offenbar nicht an Menschen gewöhnt waren und sich sehr aufgeregt und angriffslustig verhielten“, hieß es. Ein Experte fing mit Schutzkleidung ausgerüstet die Schlangen ein und brachte sie in die Reptilien-Auffangstation „Terrarium Brandenburg“. Die dehydrierten und abgemagerten Tiere sollen nun erst einmal wieder aufgepäppelt werden.

Unterlagen zu den Schlangen fehlten, dafür fanden sich Papiere zu weiteren 34 Giftschlangen, deren Aufenthaltsort unklar ist. Der Verein „Aktion Tier“ sieht in dem Fall einen Beleg dafür, wie wichtig eine bundesweit einheitliche Regelung (Gefahrtierverordnung) wäre: „Mehrere Bundesländer, darunter Sachsen, haben gar keine entsprechende Verordnung. Jeder kann in Sachsen Giftschlangen halten, muss keine entsprechende Sachkunde nachweisen und auch nicht die Sicherheit der Unterbringungen belegen.“ Zustände wie in Oberlungwitz seien nicht nur eine Gefahr für den Halter, sondern auch für Nachbarn.

„Heute kann sich jeder die giftigste Schlange der Welt, den Inlandtaipan aus Australien, per Internet bestellen“, beschrieb Biologin Ursula Bauer das Dilemma und sprach von einem Pulverfass. In Bundesländern wie Sachsen könne jeder eine Giftschlange halten, müsse dafür weder Sachkunde noch eine sichere Unterbringung nachweisen. (dpa)