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Arm ins Grab

In Riesa können sich immer mehr Menschen keine Bestattung leisten. In solchen Fällen springt die Stadt ein.

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© Claudia Hübschmann

Von Dörthe Gromes

Riesa. Stirbt ein Angehöriger, müssen die Hinterbliebenen nicht nur ihre Trauer bewältigen, sondern auch sehr viele praktische Dinge regeln. Dazu gehört an erster Stelle die Beerdigung: Soll es eine Urne oder ein Sarg sein? Wie sieht der Ablauf aus? Und: Wie teuer wird das? Immer mehr Riesaer können sich jedoch selbst ein einfaches Begräbnis nicht mehr leisten, schließlich muss dafür in der Regel ein vierstelliger Betrag aufgebracht werden.

Nach der Einäscherung kommen die Urnen bis zur Bestattung in den Urnenschrank.
Nach der Einäscherung kommen die Urnen bis zur Bestattung in den Urnenschrank. © Claudia Hübschmann

Bei den sogenannten Sozialbestattungen übernimmt auf Antrag der Hinterbliebenen das Riesaer Sozialamt ganz oder anteilsmäßig die Kosten für ein einfaches, aber würdiges Begräbnis zu ortsüblichen Standards. 2014 wurden 22 Sozialbestattungen von der Stadt finanziert, im vergangenen Jahr waren es bereits 35 Fälle, deren Kosten sich auf insgesamt 14 200 Euro beliefen. Damit liegt Riesa im sachsenweiten Trend: Im Freistaat sind die Ausgaben der Kommunen für Sozialbestattungen in den vergangenen zehn Jahren kontinuierlich gestiegen. 2015 lagen sie bei gut drei Millionen Euro für mehr als 2 000 vorgenommene Sozialbestattungen.

Welche Leistungen genau übernommen werden, liegt im Ermessen des Sozialamtes. In jedem Fall bestimmen auch bei einer Sozialbestattung die Angehörigen die Form der Beisetzung, etwa, ob es eine Erd- oder Feuerbestattung sein soll. Weiterhin wird die Erstanlage der Grabstelle übernommen, ebenso die Kosten für die Leistungen des Bestattungsunternehmens. Eine Dauerpflege des Grabes, Traueranzeigen oder der Leichenschmaus nach der Beerdigung zählen dagegen nicht zu den erstattungsfähigen Ausgaben. Allerdings sind die Vorgaben im Sozialgesetzbuch an dieser Stelle sehr schwammig. Das kritisiert Alexander Helbach, Pressesprecher des Vereins Aeternitas aus Königswinter (Nordrhein-Westfalen): „Leider gibt es in Deutschland keine einheitlichen Mindeststandards, sondern jede Kommune definiert das nach Gutdünken.“ Die bundesweit tätige Verbraucherinitiative betreibt Öffentlichkeitsarbeit rund um das Thema moderne Bestattungskultur.

Bestattungsvorsorge

Wichtig ist, die Vorstellung von der eigenen Beerdigung schriftlich festzuhalten. Damit diese Wünsche im Todesfall berücksichtigt werden, sollte zu Lebzeiten eine Person benannt werden, die das sogenannte Totensorgerecht wahrnimmt.

Mit einem Bestattungsunternehmen kann ein Bestattungsvorsorgevertrag abgeschlossen werden, in welchem die Details der Beisetzung festgelegt sind.

Bei geringen finanziellen Möglichkeiten bietet es sich unter Umständen an, eine Sterbeversicherung abzuschließen. Diese dürfen von den Sozialämtern nicht gekündigt werden, weil sie zweckgebunden sind.

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Üblicherweise gehen Bestattungsunternehmen bei einer Sozialbestattung in Vorleistung und bekommen anschließend ihr Geld vom Amt erstattet. Jedoch: „Viele Ämter gewähren Leistungen zu restriktiv und verschleppen die Kostenübernahme“, erklärt Helbach. Er kenne viele Bestatter, die deshalb nicht mehr bereit wären, eine Sozialbestattung durchzuführen. Auch ein privates, in Riesa ansässiges Bestattungsunternehmen hält sich auf SZ-Anfrage bedeckt. Das sei ein „heikles Thema“ heißt es.

Dann gibt es noch Fälle, in denen Verstorbene weder Geld hinterlassen haben noch Angehörige oder Freunde, die ihre Beisetzung organisieren. In diesem Fall tritt die Kommune an die Stelle der Angehörigen. Stirbt so jemand in Riesa, beauftragt das Ordnungsamt meist die Firma „Städtisches Bestattungswesen Meißen“ mit der Beisetzung. Das Unternehmen befindet sich im kommunalen Besitz der Stadt Meißen und unterhält in Riesa eine Filiale. Aufgrund seiner effizienten Krematoriumstechnik und der hohen Fallzahlen bietet es Preise an, mit denen deutschlandweit kaum ein Wettbewerber mithalten kann.

Urnen bleiben sechs Monate stehen

Geschäftsführer Jörg Schaldach erklärt, was bei in Meißen mit den Gestorbenen passiert: „Die Toten werden gewaschen, bekommen einfache Sterbewäsche angezogen und werden in einen ebenfalls einfachen Sarg gelegt. Wenn keine anderslautenden Wünsche bekannt sind – meist sind sie es nicht –, werden sie anschließend eingeäschert.“ Nach der Einäscherung werden die Urnen mindestens sechs Monate lang aufbewahrt. In dieser Zeit suchen die Ordnungsämter nach Angehörigen. Findet sich niemand, wird die Urne in einem anonymen Gemeinschaftsgrab auf dem Meißner Stadtfriedhof beigesetzt – auch die in Riesa oder andernorts im Landkreis Verstorbenen. Das geschieht zwei Mal im Jahr: in der Johanniswoche im Juni sowie vor dem Totensonntag im November. Anwesend sind dann meist nur die Friedhofsbediensteten. „Das ist im Grunde eine normale Bestattung wie jede andere auch“, so Schaldach.

Der Verein Aeternitas jedoch sieht diese weit verbreitete Praxis, solche Bestattungen meist anonym und nicht am früheren Wohnort vorzunehmen, kritisch: „Menschen sollten nicht zwingend dort bestattet werden, wo es am billigsten ist“, meint Alexander Helbach. Eine anonyme Bestattung hält er ebenfalls nicht für angemessen, es sei denn, sie entspricht dem ausdrücklichen Willen des Verstorbenen. Allerdings sind die Wünsche derjenigen, die einsam gelebt haben und einsam gestorben sind, meist niemandem bekannt.