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Antibaby-Pille für Waschbären?

Der Landesjagdverband reagiert auf einen SZ-Beitrag über Sorgen im Forstrevier Ullersdorf in der Dresdner Heide. Einem Vorschlag des Landwirtschaftsministeriums setzen die Jäger ihre Flinten entgegen.

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© dpa

Von Jens Fritzsche

Die Diskussion um die immer weitere Ausbreitung von Waschbären auch im Raum Radeberg, ruft den Sächsischen Jagdverband auf den Plan. Nach dem SZ-Beitrag über immer mehr zunehmende Waschbären-Sorgen im Revier Ullersdorf in der Dresdner Heide meldet sich Norman Härtner, der Vizepräsident des Verbands, zu Wort. Er glaubt jedenfalls nicht, schreibt er in einer Reaktion, dass der vom zuständigen Landwirtschaftsministerium ins Spiel gebrachte Einsatz einer Art „Antibaby-Pille“ für Waschbären der rasanten Vermehrung dieser Räuber wirklich Einhalt gebieten könnte.

Der Verband setze auf Jagd; und zwar mit Fallen. „Da der Waschbär nachtaktiv ist und oft die Nähe des Menschen oder menschliche Behausungen selbst als Lebensraum nutzt, kann eine nachhaltige Bejagung nur mit der Falle erfolgen“, macht Härtner dabei deutlich. Es sei in jedem Fall dringend geboten, Sofortmaßnahmen zu einer Intensivierung der Fangjagd zu ergreifen, ist der Vizechef des Jagdverbands überzeugt. Eine staatliche Fangprämie, findet er zum Beispiel, sei einer der Wege, um diese durchaus aufwendige Jagdmethode sozusagen „attraktiv“ zu machen. „Unsere Kinder und unsere heimische Tierwelt werden es uns danken“, ist Norman Härtner überzeugt.

Waschbären plündern Vogel-Gelege

Ullersdorfs Revierförsterin Uta Krause hatte im Gespräch mit der SZ auf massive Probleme hingewiesen, die von der immer mehr zunehmenden Waschbären-Population auch in ihrem Revier ausgehen. „Es ist ein deutlicher Rückgang der Singvogel-Population zu erkennen“, zählt sie zum Beispiel auf. Die Waschbären plündern die Gelege. Eine echte Gefahr; „denn damit droht einigen Vogelarten das Aus“, befürchtet die Ullersdorfer Försterin. Zudem bleiben die Räuber auch nicht nur im Wald, sondern erobern sich längst auch den Radeberger Ortsteil Ullersdorf – und auch in Radeberg hat die Revierförsterin bereits Waschbären gesehen, sagt sie.

Wie groß die Waschbären-Population in ihrem Ullersdorfer Forstrevier in der Heide ist, kann Uta Krause dabei allerdings nur schätzen. „Waschbären sind wie erwähnt nachtaktiv und verstecken sich tagsüber sehr gut auf Baumkronen, sie sind also kaum zu zählen.“ Dass es aber immer mehr werden, dafür gebe es jedenfalls eine Menge Indizien, so die Revierförsterin. Und auch sie räumt ein, dass es schwierig ist, gegen die Räuber wirklich effektiv vorzugehen. „Wir schießen sie, wenn wir sie sehen – aber eine zielgerichtete Jagd ist nicht wirklich möglich“, macht Uta Krause klar. Denn: „Die Waschbären bewegen sich eigentlich nur im Stockdunklen aus ihren Verstecken heraus, so dass sich die Chancen, sie zu jagen eher in Grenzen halten …“ Sieben bis acht erlegte Waschbären, größer ist die Quote pro Jahr kaum, die im Revierbereich Ullersdorf zusammenkommt. Im vergangenen Jahr waren es sogar nur drei, sagt die Försterin.

Lebendfallen sinnvoll

Also scheinen letztlich tatsächlich in erster Linie Lebendfallen ein Ausweg zu sein. Dass die Fallen sinnvoll sind, sieht man dabei auch im Landwirtschaftsministerium so. In Städten zum Beispiel werden die Waschbären auf diese Weise gefangen, so Frank Meyer vom Ministerium. Aber auch für diese Tiere gilt dann, dass sie anschließend unter Beachtung des Tierschutzes getötet werden, stellt er klar. Allerdings hat das Ministerium auch beobachtet, dass die Tiere auf eine verstärkte Jagd reagieren, indem sie mehr Junge in die Welt setzen, sagt Ministeriumssprecher Meyer. Deshalb prüfe sein Ministerium eben, ob das erwähnte Forschungsprojekt „Antibabypille“ gestartet werden solle.

Vielleicht hilft es ja, alle Methoden zu nutzen? Fallen, „Pille“ und Abschuss. Denn die Zeichen stehen derzeit tatsächlich auf ein echtes Naturdrama, das sich in den kommenden Jahren hier abspielen könnte.

Woher die Waschbären in Deutschland kommen, ist für den Jagdverband übrigens klar. Die Tiere entstammen „mit großer Wahrscheinlichkeit einem Waschbärenpaar, das 1934 im hessischen Edersee von einem Pelzhändler zur Bereicherung der heimischen Pelztierfauna ausgesetzt worden war“, so Norman Härtner. Auch der Treffer einer Fliegerbombe 1945 auf eine Pelztierfarm in der Nähe Berlins soll mehreren Tieren den Weg ins Freie geebnet haben. Andere Räuber, wie der Marderhund, wanderten zudem über Sibirien aus Amerika ein. Nicht ausgeschlossen, dass auch der eine oder andere Waschbär auf diesem Weg kam … (mit SZ/mb)