Merken

Anti-Drogen-Zug rollt in Annaberg-Buchholz ein

Schon länger versuchen Sachsen und Tschechien, der Droge Crystal Meth Einhalt zu gebieten. Nun führt eine mobile Ausstellung Kindern und Jugendlichen vor Augen, wo der vermeintliche Partytrip endet.

Teilen
Folgen
NEU!
© dpa

Annaberg-Buchholz. Der rechte Scheinwerfer des gelben Skoda leuchtet den Besuchern grell ins Gesicht, ansonsten ist an dem Auto nicht viel heil geblieben. Die nachgestellte Szenerie führt fort, was gerade noch auf der Leinwand im „Revolution Train“ live mitzuerleben war: Das Ende einer Drogenfahrt von vier Jugendlichen. Ergebnis: Ein toter Motorradfahrer, ein junges Mädchen, das sein Auge verloren hat und vier Jahre ohne Bewährung für den völlig zugedröhnten Unfallfahrer.

Gezeigt wird in dem Antidrogen-Zug auch der „Verkehrsunfall unter Drogeneinfluss“
Gezeigt wird in dem Antidrogen-Zug auch der „Verkehrsunfall unter Drogeneinfluss“ © dpa
Die verwahrloste Bleibe eines Drogenabhängigen derzeit in Annaberg-Buchholz in dem Zug zu sehen, der über den Missbrauch von Crystal Meth aufklären will.
Die verwahrloste Bleibe eines Drogenabhängigen derzeit in Annaberg-Buchholz in dem Zug zu sehen, der über den Missbrauch von Crystal Meth aufklären will. © dpa
Insbesondere Schüler können sich so über den Weg von Drogenabhängigen informieren, die nicht selten in einer Gefängniszelle landen.
Insbesondere Schüler können sich so über den Weg von Drogenabhängigen informieren, die nicht selten in einer Gefängniszelle landen. © dpa

„Wir müssen in der Sprache der Kinder und Jugendlichen sprechen, um sie zu erreichen“, sagt Pavel Tuma vom Stiftungsfonds Neues Tschechien. Er hat den tschechischen Anti-Drogen-Zug vor mehr als zehn Jahren initiiert. In drastischen Bildern und deutlichen Worten wird in sechs Waggons die wahre Geschichte von Petra und Georg nacherzählt - von der ersten Zigarette bis zum Untergang in einer völlig vernachlässigten Junkie-Wohnung, durch die die Besucher ebenfalls laufen können.

Das Drogenpräventionsprojekt, das mit Annaberg-Buchholz nun erstmals in Sachsen Station macht, habe in Tschechien seit Frühjahr 2015 mehr als 20 000 Besucher gezählt. Vor allem Schüler ab zehn Jahren, aber auch Eltern, Lehrer, Polizisten oder Sozialarbeiter gehörten zur Zielgruppe. „Wir wollen, dass in den Köpfen die Ampel auf Rot stellt, wenn die Versuchung lockt“, sagt Oberbürgermeister Rolf Schmidt, der das Projekt ins Erzgebirge geholt hat.

Rund 27 000 Euro lässt sich die Stadt diese Drogenprävention kosten, die vor allem in den Transport des 150 Meter langen und 300 Tonnen schweren Zuges sowie die Weiterbildung lokaler Wissensvermittler fließen. Der Erzgebirgskreis investiert weitere 25 000 Euro, damit der Zug am Donnerstag und Freitag auch in Schwarzenberg hält, bevor es weiter nach Plauen geht.

Neben den „Einstiegsdrogen“ Alkohol und Cannabis warnt die interaktive Ausstellung die Jugendlichen vor allem vor den Gefahren harter Drogen wie Crystal Meth. Bereits in den 1990er Jahren tauchte Methamphetamin, so die korrekte Bezeichnung des synthetisch herzustellenden Stoffes, immer wieder im Freistaat auf. Doch inzwischen eskaliert die Lage zusehends. So sind allein in den Beratungsstellen des Erzgebirgskreises nach Angaben des Landratsamtes 570 Drogenkonsumenten registriert - dreimal mehr als noch 2009. Die Dunkelziffer sei jedoch noch bedeutend höher, betont Referatsleiter Frank Reißmann.

Sachsenweit war 2015 die Anzahl der hilfesuchenden Konsumenten mit knapp 5 000 laut Landesstelle gegen die Suchtgefahren viermal höher als im Bundesdurchschnitt. Auch die Zahl der Drogentoten nimmt wieder zu. Laut Jahresbericht Rauschgiftkriminalität sind im vergangenen Jahr 1226 Menschen an ihrem Drogenkonsum gestorben, fast 20 Prozent mehr als im Vorjahr.

Seit 2009 beobachte die tschechische Polizei eine erhöhte Nachfrage nach Crystal Meth in den Grenzregionen zu Sachsen, aber auch zu Bayern. „Das ist eine organisierte Massenproduktion und die Droge hält zunehmend Einzug in den Alltag“, sagt Jakub Frydrych, Leiter der Nationalen Antidrogenzentrale des Nachbarlandes.

Den Antidrogenzug soll es nach Angaben von Pavel Tuma von Frühjahr 2017 an in einer eigens entwickelten deutschen Version geben. Dafür werde unter anderem der Film aktualisiert. Dann sollen auch weitere Städte in ganz Deutschland angefahren werden. (dpa)