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Anschlag am Grün 7

In Rammenau wäre vor 20 Jahren fast der erste Golfplatzbetreiber der Lausitz ermordet worden. Bis heute streitet er um sein Recht.

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© Jürgen Lösel

Von Thomas Schade

Es war ein schwülwarmer Sommertag, an dem Peter Köberle, 55, seinem Geschäftspartner Josef Karl H., 64, den Golfplatz von Rammenau zeigte, den ersten in der Lausitz. Köberle, ein Schwabe, hatte Pläne für ein Schlosshotel in der Tasche und einen Erbbaupachtvertrag für die Nebengebäude des Barrockschlosses in Aussicht. Josef Karl H., ein Rheinländer, war seit 1990 Pächter des Schlosscafés, hatte den laufenden Betrieb aber aus gesundheitlichen Gründen Köberle übertragen. Doch das Café lief schlecht. H. war in Geldnot, wartete auf Geld von Köberle. Der Schwabe hatte zwar eine Baugenehmigung für sein Hotel, wartete aber vergebens, dass der abgeschlossene Erbbaupachtvertrag endlich in die Grundbücher eingetragen wird. Erst danach würde die Bank seine Pläne finanzieren, und der Bau konnte beginnen.

So waren die beiden Männer genau heute vor 20 Jahren keinesfalls beim Small Talk, sondern stritten auf dem gepflegten Golfrasen heftig über Geld, als plötzlich am Grün 7 ein Schuss fiel. „Ich fühlte einen Schmerz und hörte erst danach den Knall“, sagt Köberle. Bis heute ist er überzeugt, dass aus größerer Entfernung mit einem Gewehr auf ihn gefeuert worden war.

Erst nach einer Stunde fand man den großen stattlichen Mann leblos am Boden liegend. Sein Kompagnon H. saß zu dieser Zeit in seinem Mercedes und fuhr nonstop nach Bonn, wo er seinerzeit lebte. Wie „von Sinnen sei er gewesen“, sagte er später vor Gericht. Als die Polizei am nächsten Morgen vor seiner Tür stand, hatte Josef Karl H. schon gepackt, um sich zu stellen.

Stunden später erzählte er der Kripo, dass er Köberle mit seinem Revolver Cobra Kaliber 38 von hinten erschossen habe, weil sein Kompagnon ihn in den Ruin getrieben habe. Stunden vor dem Schuss sei ihm am Telefon die Zwangsvollstreckung über sein Vermögen angekündigt worden. Das habe ihm den Rest gegeben. Ähnlich sah es Monate später das Bautzner Landgericht. Es verurteilte H. wegen versuchten Mordes zu siebeneinhalb Jahren Haft.

Am Tag der Urteilsverkündung lag Köberle noch in einer Rehaklinik in Süddeutschland. Durch großes Glück hatte er den Anschlag überlebt und war nach einhundert Tagen aus dem Koma erwacht. Schon in der ersten Befragung nach der Bewusstlosigkeit hatte er Zweifel geäußert, dass sein Geschäftspartner auf ihn geschossen habe. Ärzte hätten gesagt, dass die Einschusswunde im Rücken auf ein 6-Millimeter-Geschoss hindeute. H., lange Vorsitzender eines Schützenvereins, verschoss mit seinem Revolver 9-Millimeter-Munition. Das Projektil, das Köberle niederstreckte, wurde nie gefunden. Ein kriminalpolizeilicher Abschlussbericht sei nicht in der Akte, so der heute 75-jährige Schwabe. Im Prozess vertrat ihn ein Anwalt als Nebenkläger. Gern hätte Köberle als Zeuge ausgesagt. Das Gericht verzichtete, auch aus Rücksicht auf seine Gesundheit. Für die Justiz war der Fall klar, für Köberle keinesfalls.

Er sieht sich bis heute als Opfer eines Komplotts. Damals hätten einflussreiche Kräfte nicht gewollt, dass er das Schlosshotel baut. Wenige Tage nach dem Anschlag wäre der Erbbaupachtvertrag über 86 Jahre gültig geworden, sagt er. Um das zu verhindern, sei auf ihn geschossen worden. Karl Josef H. habe ihn lediglich vor die Flinte des wahren Mörders gelockt, glaubt der Schwabe. Ein anonymer Brief tauchte auf, der ihn in seiner Vermutung bestärkte, dem aber keine Beachtung geschenkt wurde. Der Verurteilte schweigt. Er hat sein Geständnis nie widerrufen und vor Jahren erklärt, dass vor Gericht alles gesagt worden sei. Köberle hat Strafanzeigen gestellt, damit die Hintermänner ermittelt werden, doch alle Verfahren wurden eingestellt.

Der Anschlag vor 20 Jahren hat bei dem Schwaben schwere körperliche Schäden hinterlassen. Ihm fehlt die Hälfte der Lunge, seinen rechten Arm kann er nicht mehr heben, Schulter und Brustkorb schmerzen, nur mithilfe seiner Frau kann er aufstehen. Dennoch hat er sich nach 20 Jahren noch einmal auf den Weg nach Rammenau gemacht, wo seine Spuren verwischt sind. Den Golfplatz gibt es nicht mehr.

Doch Köberle kommt nicht zur Ruhe. Seit Jahren streitet er mit dem Kommunalen Sozialverband (KSV) Sachsen um finanzielle Leistungen, die ihm als anerkanntes Gewaltopfer nach dem Opferentschädigungsgesetz zustehen. Fünf Jahre lang hatte der Verband ihm die Grundrente sowie eine Schwerstbehindertenzulage und Leistungen für seine Pflegebedürftigkeit gezahlt. Dann, 2001, erkannte ihn die Berufsgenossenschaft als Unfallopfer an. Sie übernahm die Kosten der Heilbehandlung und zahlt ihm eine Unfallrente.

Daraufhin seien die Zahlungen des Kommunalen Sozialverbandes ausgeblieben, er habe seine Leistungen ruhend gestellt, so Köberle. Zudem habe der KSV die Berufsgenossenschaft aufgefordert, die gezahlten staatlichen Leistungen von der Rentennachzahlung für die ersten fünf Jahre einzubehalten. „Hier werden Birnen mit Äpfeln aufgerechnet“, sagt er.

Die Abhängigkeit von den Zahlungen habe ihn in die Privatinsolvenz getrieben, so Köberle. Er spricht von grobem Unrecht und erhebt Anspruch auf die Leistungen beider Institutionen. Wie ihm ergehe es Tausenden Gewaltopfern, die meisten würden vor der gängigen Rechtspraxis kapitulieren. „Ich bin körperlich schwer behindert“, sagt er, „aber nicht im Kopf“. Und so klagt er weiter, notfalls bis nach Straßburg.