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Annelis Eltern fordern lebenslänglich

Mit Plädoyers der Staatsanwältin und der Nebenklage beginnt die Schlussphase im Prozess um den Tod der Unternehmertochter.

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© Robert Michael

Von Thomas Schade

Dresden. Im Prozess um den Mord an Anneli Riße bleibt sogar einem  gestandenen Rechtsanwalt das Wort wie ein Kloß im Hals stecken. Annelis Neffe, so sagt Nebenklageanwalt Stephan Schulz, sei sechs Tage nach dem Tod seiner Tante mit der Zuckertüte erstmals zur Schule gegangen, Annelis Nichte werde seit dem Tod ihrer Tante auf dem Schulweg gefragt: Gehst du immer diesen Weg? Anwalt Schulz ringt um Fassung bei den letzten Worten seines Plädoyers, denn er redet von seinen Kindern, sie gehören zu Familie Riße.

Markus B. am Mittwoch im Landgericht: Er ist wegen erpresserischen Menschenraubes mit Todesfolge sowie wegen Mordes angeklagt.
Markus B. am Mittwoch im Landgericht: Er ist wegen erpresserischen Menschenraubes mit Todesfolge sowie wegen Mordes angeklagt. © Robert Michael
Oberstaatsanwältin Karin Dietze fordert lebenslänglich für Markus B.
Oberstaatsanwältin Karin Dietze fordert lebenslänglich für Markus B. © Robert Michael
Für den Angeklagten Norbert K. fordert die Staatsanwaltschaft 15 Jahre Haft wegen Mordes durch Unterlassen.
Für den Angeklagten Norbert K. fordert die Staatsanwaltschaft 15 Jahre Haft wegen Mordes durch Unterlassen. © Robert Michael

In deren Namen beantragen Schulz und sein Anwaltskollege Kay Estel am Mittwoch wegen Mordes lebenslängliche Haftstrafen für beide Angeklagten. Fast fünf Stunden lang haben Staatsanwaltschaft und Nebenklage ihre Schlussvorträge gehalten.

Oberstaatsanwältin Karin Dietze sprach von einem Fall, den es so in Mitteldeutschland noch nie gegeben habe. Sie hob hervor, dass bei dem Verbrechen zwar zwei charakterlich sehr unterschiedliche Täter am Werk gewesen seien, die sich aber in zwei wesentlichen Dingen einig waren: Sie wollten die Unternehmertochter entführen, um ihren Eltern 1,2 Millionen Euro abzupressen, und sie hatten Angst, Anneli könnte sie später identifizieren.

„Dann muss sie eben sterben“, habe der Angeklagte Markus B. schon kurz nach dem Kidnapping gesagt, als ihm der Mitangeklagte Norbert K. vorhielt, dass er keine Maske trage. Seit der Entführung waren keine drei Stunden vergangen, da stellte Markus B. im Internet schon Suchanfragen wie „Ersticken durch Plastiktüte“. Am nächsten Tag um die Mittagszeit, so die Staatsanwaltschaft, tötete Markus B. die 18-jährige Schülerin. Ob sie erstickte oder erdrosselt wurde, konnten die Gerichtsmediziner nicht mehr genau feststellen. Der Mörder verwendete Kabelbinder, einen Spanngurt und eine Plastiktüte.

Anders als zu Prozessbeginn halten Staatsanwaltschaft und Nebenklage nach der Beweisanklage auch Norbert K., den Komplizen von Markus B., für einen Mörder. Beide waren seit Jahren befreundet, sprechen im Gericht aber kein Wort miteinander. Im Prozess habe sich gezeigt, so die Staatsanwaltschaft, dass es der 62-jährige K. mehrfach in der Hand hatte, die Erpressung abzubrechen und den Mord zu verhindern. So saß er mit Anneli kurz nach der Entführung allein im Auto und hätte davonfahren können, während Markus B. das Handy des Mädchens in die Talsperre Malter warf. In der Nacht nach der Entführung hätte er von Dresden aus die Polizei informieren können, die fieberhaft nach Anneli suchte. Am folgenden Freitag war er mit Anneli etwa zwei Stunden allein auf dem Hof in Lampersdorf und hätte sie losbinden und freilassen können. Norbert K. habe die „Tatherrschaft über das Opfer gehabt“, sagt die Oberstaatsanwältin. Er habe es nicht beendet. Das mache ihn nicht nur zu einem Gehilfen, sondern zum Mittäter. So beschuldigt die Anklage Norbert K. nach der Beweisaufnahme ebenfalls des Mordes und spricht von einem Verdeckungsmord durch Unterlassen. Er sei in der Lage gewesen, Annelis Tod zu verhindern, und habe es nicht getan, weil er es nicht wollte.

Anders als die Nebenklage differenziert die Staatsanwaltschaft bei ihren Strafanträgen. Karin Dietze beantragt für Norbert K. 15 Jahre Haft. Lebenslänglich lautet der Antrag für Markus B., bei dem Staatsanwaltschaft und Nebenklage zudem die besondere Schwere festgestellt haben wollen, auch, weil er zu keiner Zeit einen Anflug von Reue erkennen ließ. Am Freitag werden die Verteidiger plädieren, dann wollen auch Annelis Vater und ihre Schwester reden.