Merken

Anklagen nach Vertreibung aus Hoyerswerda

Was am 17. Oktober geschah, war für ein Paar aus Hoyerswerda ein Albtraum. Polizisten rieten ihm zur Flucht vor Neonazis. Jetzt sind acht Männer angeklagt.

Teilen
Folgen
NEU!

Von Thomas Schade

Ronny und Monique ahnten nicht, dass der 17. Oktober 2012 der letze Tag sein würde in ihrer Wohnung in der Robert-Schumann-Straße in der südöstlichen Hoyerswerdaer Neustadt. Was sich an dem Abend zutrug, hatte für sie traumatische Folgen. Für die Polizei war es ein Desaster.

Mindestens acht Männer standen damals vor der Tür des Paares und brüllten: „S., komm runter, du Ratte, du Antifa-Sau, wir zerstören dich! Wir machen dich tot! deine Freundin wird vergewaltigt und deine Bude wird leer geräumt!“ Das erfülle den Tatbestand der Bedrohung und Beleidigung, teilte die Staatsanwaltschaft Görlitz am Freitag mit. Deshalb habe man gegen die acht Männer im Alter von 17 bis 35 Jahren Anklage beim Amtsgericht Hoyerswerda erhoben. Gegen fünf weitere Beschuldigte wurden die Ermittlungen eingestellt. Bei ihnen habe sich kein hinreichender Tatverdacht ergeben, heißt es in der Mitteilung. Dennoch geht die Staatsanwaltschaft davon aus, dass es sich „um eine gezielte, geplante und vom gemeinsamen Willen aller Angeschuldigten getragene Aktion gehandelt“ hat. Alle Angeklagten leben in der Stadt. Inwieweit sie der Neonaziszene angehören, müsse in der Hauptverhandlung geklärt werden, so der Görlitzer Behördensprecher Till Neumann.

Die 33-jährige Monique und ihr Freund hatten sich angeblich den Zorn mutmaßlicher Neonazis zugezogen, weil sie in der Stadt rechtsextremistische Aufkleber entfernten. Als die Männer gegen die Tür schlugen und drohten, riefen das Paar die Polizei. Der Fall sorgte erst für Schlagzeilen, nachdem ein Sprecher der Görlitzer Polizei gegenüber dem MDR erklärte, dass Beamte dem Paar empfohlen hatten, „nach Möglichkeit die Stadt zu verlassen für einen gewissen Zeitraum“. Ein Streifenwagen hatte das bedrohte Paar in der Nacht tatsächlich in ein betreutes Wohnobjekt gebracht. Die politische Opposition prangerte den Vorfall als Bankrotterklärung der ostsächsischen Polizei an.

Heute leben Monique und Ronny nach Auskunft ihres Anwaltes in einer sächsischen Großstadt und versuchen einen Neubeginn. Anwalt Klaus Bartel fragt zudem, warum den Beschuldigten weder Landfriedensbruch noch Hausfriedensbruch zu Last gelegt wird. Die Polizei versuchte später, den Flurschaden zu begrenzen und erklärte, das Paar sei auf eigenen Wunsch aus der Stadt gebracht worden. Dem widersprechen beide bis heute.

In der Stadt wurde nach den Ereignissen ein „Aktionsforum“ ins Leben gerufen. Die Chefs der Sicherheitsbehörden reisten zum Krisengespräch in die Stadt. Der Verfassungsschutzchef bestätigte, dass etwa 30 Neonazis seit Mai 2012 in der Stadt „sehr aktiv“ seien. Der Landespolizeipräsident versprach, zusätzliche mobile Einsatzkräfte nach Hoyerswerda zu schicken.