Merken

Ankerzentrum entsteht in Dresden

Sachsen will eine Erstaufnahmeeinrichtung weiterentwickeln. Dort soll das Asylverfahren abgewickelt werden. Wer nicht als Flüchtling anerkannt wird, soll direkt aus dem Zentrum abgeschoben werden.

Teilen
Folgen
© Sebastian Kahnert/dpa

Karin Schlottmann

Dresden. Ministerpräsident Michael Kretschmer hat die Absicht der CDU/SPD-Regierung bekräftigt, ein sogenanntes Ankerzentrum für Asylbewerber in Sachsen einzurichten. Das geplante Zentrum soll voraussichtlich in Dresden in der Erstaufnahmeeinrichtung Hamburger Straße entstehen. „Ich stehe ausdrücklich zu dem Gedanken, Ankerzentren in Deutschland zu gründen, und der Freistaat wird sich daran beteiligen“, sagte der CDU-Politiker am Donnerstag.

Nach den Plänen des Bundesinnenministeriums müssen sich in den Ankerzentren die Flüchtlinge vom Tag ihrer Ankunft an so lange aufhalten, bis über ihren Asylantrag endgültig entschieden worden ist. Die Verteilung auf die Kommunen oder die Abschiebung in das Herkunftsland wird direkt von diesen Zentren aus erfolgen.

Kretschmer sagte, er lege Wert darauf, Enttäuschungen bei Asylbewerbern und Flüchtlingshelfern zu vermeiden. Deshalb sollen nur Flüchtlinge, die eine gute Bleibeperspektive haben, in eine Unterkunft eines Landkreises umziehen dürfen. Die Landesregierung sei es den Bürgern schuldig, sich nicht nur um die Integration zu kümmern, sondern auch die schwierige Aufgabe der Rückführung zu meistern.

Kerngedanke der Ankerzentren sei eine schnellere „Umsetzung des Rechts“, sagte er. „Wir sind es jedem, der hier herkommt, schuldig, dass wir anständig mit ihm umgehen.“ Das gelte auch für die, die Deutschland wieder verlassen müssten. „Ich möchte gern, dass sie, wenn sie wieder nach Hause fahren und ehrlich mit sich sind, sagen, die Deutschen haben uns abgeschoben, aber es ist völlig korrekt abgelaufen.“ Die Forderung, aus humanitären Gründen auf Abschiebungen zu verzichten und allen Flüchtlingen die Familienzusammenführung zu ermöglichen, lehne er ab. „Das ist nicht meine Position.“

An den drei Standorten für Aufnahmezentren in Dresden, Leipzig und Chemnitz will Sachsen festhalten. Die Einrichtung in der Landeshauptstadt, die demnächst auch einen Abschiebegewahrsam und eine Abschiebehaft bekommt, soll jedoch nach den Plänen des Bundes weiterentwickelt werden, erläuterte Innenminister Roland Wöller (CDU) das Vorhaben. So ist geplant, dass alle zuständigen Behörden und die Verwaltungsgerichte unter einem Dach arbeiten, darunter das Bundesamt für Migration sowie die Jugend- und Arbeitsämter.

SPD bleibt skeptisch

Ob die Gerichte einverstanden sind, über Asylklagen in einem Ankerzentrum und nicht wie bisher in einem eigenen Gebäude zu entscheiden, ist allerdings noch völlig offen. In Abstimmung mit dem Sozialministerium könnten auch die Anerkennungsverfahren der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge konzentriert werden. Ein Asylzentrum für ganz Sachsen sei aber nicht geplant, betonte Wöller.

Der Koalitionspartner SPD hatte die Pläne kritisiert. Die Debatte sollte beendet werden, forderte der Landtagsabgeordnete Henning Homann am Donnerstag. Die bisherige Struktur habe sich bewährt. Im Interesse einer humanitären und konsequenten Asylpolitik sei Sachlichkeit oberstes Gebot. „Das Thema eignet sich weder für Wahlkampf noch für Polemik“.

Laut Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) soll niemand länger als 18 Monate in einem Asylzentrum bleiben, Familien nicht länger als sechs Monate. Sein Ministerium beteuert, dass die Zentren nicht mit Haftanstalten oder Lagern vergleichbar seien. Nach seinen Vorstellungen wird es bundesweit etwa 40 Zentren geben. Während eines Besuchs Seehofers Ende Mai in Dresden sollen Einzelheiten des Pilotprojekts besprochen werden.

Andere Länder-Innenministerien sehen die Zentren mit Skepsis. Einige befürchten Probleme bei der Sicherheit und Ordnung in den Einrichtungen. Bis zu 1 500 Menschen sollen dort leben. Andere gehen davon aus, dass sich die Zahl der Rückführungen dadurch nicht signifikant erhöhen lässt. 70 Prozent der Abschiebungen scheiterten daran, dass die Herkunftsländer die Menschen nicht wieder aufnehmen, sagte Holger Stahlknecht (CDU), Innenminister von Sachsen-Anhalt.