Birgit Zimmermann
Leipzig. Die Wolfgang-Heinze-Straße in Leipzig-Connewitz gleicht nach dem Hooligan-Überfall vom Montagabend einem Trümmerfeld. Die Scheiben dutzender Geschäfte sind zerschmettert, notdürftig hat der Besitzer eines Gardinenladens noch in der Nacht die scharfen Scherben herausgeschlagen und das Schaufenster mit Folien verklebt. Die Anwohner sind geschockt. „Krass“ ist ein Wort, das immer wieder fällt. „Wir sind hier ja einiges gewohnt - aber so etwas gab es noch nie“, sagt die Mitbesitzerin eines Mehrfamilienhauses.
Rechte Randale am Legida-Jahrestag in Leipzig
Tatsächlich ist Connewitz - ein Stadtteil, der für seine links-alternative Szene bekannt ist - auch schon im vergangenen Jahr Schauplatz von Krawallen gewesen - allerdings jeweils von Autonomen. Im Januar 2015 etwa griffen Vermummte einen Polizeiposten an. Am 12. Dezember gab es in Connewitz und in der angrenzenden Südvorstadt schwere Ausschreitungen. Auch in der Wolfgang-Heinze-Straße gingen damals die Schreiben eines Wartehäuschens zu Bruch.
„Wir haben es in Leipzig mit einer Situation zu tun, die inzwischen sehr eskaliert ist“, sagt der Extremismusforscher Oliver Decker von der Universität Leipzig. Die sächsische Messestadt sei einerseits von ihrem Selbstverständnis her liberal und alternativ. „Zugleich hat sich aber im ländlichen Raum in Sachsen in den letzten Jahren eine sehr stark vorurteilsbelastete Kultur etabliert“, sagt Decker. Das drifte auseinander.
Zeitgleich zu dem Hooligan-Überfall demonstrierte Legida in der Leipziger Innenstadt, Pegida-Gründer Lutz Bachmann und Frontfrau Tatjana Festerling waren aus Dresden angereist. Die fremdenfeindlichen Bündnisse würden den Hintergrund schaffen, den „Möglichkeitsraum“ für das Handeln der rechtsextremen Schläger, sagt Decker. „Ich denke, das war gestern Abend der Versuch, an Orten, die bisher nicht als „nationalbefreite Zone“ oder Angstraum gelten, ein Gefühl der Bedrohung zu erzeugen.“
Die Polizei ermittelt gegen 211 Verdächtige wegen besonders schweren Landfriedensbruchs. Fünf Beamte seien in Connewitz verletzt worden, sagt ein Polizeisprecher. Die teils polizeibekannten Hooligans und Rechtsextremen wurden in der Nacht eingekesselt und danach stundenlang erkennungsdienstlich behandelt.
Festgenommen wurde niemand. Der Sprecher der Leipziger Staatsanwaltschaft, Ricardo Schulz sagt, die Verfahren würden mit der gebotenen Sorgfalt und Schnelligkeit angegangen. „Polizei und Staatsanwaltschaft haben aber die Grenzen der Belastbarkeit erreicht.“
Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) reagiert betroffen auf die „ausufernde Gewalt“. Er hatte für Montagabend zu einer Lichterkette um den Innenstadtring aufgerufen. Betont friedlich und ohne Gewalt sollte Legida etwas entgegengesetzt werden. „Ich zähle darauf, dass der Rechtsstaat klare und deutliche Konsequenzen folgen lassen wird“, erklärt Jung. „Es gilt jetzt, ein Aufschaukeln der Situation zu verhindern.“
Auf dem linken Internetportal Indymedia erschien am Dienstag ein Aufruf zu einer Demonstration unter dem Motto „Fight Back! Rechte Strukturen zerschlagen!“. (dpa)