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Amt zahlt in Härtefällen

Bis Jahresende mussten alle Jauchegruben beseitigt sein. Das ist aber noch nicht überall der Fall. Und nun?

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© SZ

Von Kathrin Krüger-Mlaouhia

Großenhain. Die von der EU vorgegebene und vom Freistaat Sachsen festgesetzte Frist ist abgelaufen: Zu Jahresende 2015 sollten alle Grundstücke, die nicht zentral entsorgt werden, eine Abwasseranlage mit biologischer Reinigungsstufe haben. Doch das Ziel wurde nicht erreicht. 2 500 Kleinkläranlagen im Landkreis entsprechen noch nicht diesen Richtlinien, hat jetzt eine Anfrage ans Landratsamt ergeben. Umgerüstet sind lediglich gut 2 200 Anlagen. Was wird mit den anderen? Das fragen sich vor allem jene, die ihre Jauchengrube abgeschafft und dafür bis zu 8000 Euro ausgegeben haben.

Die Abwasserverbände heben die Hände. „Wir haben getan, was wir konnten und viel Zeit in die Beratung der Grundstückseigentümer gesteckt“, sagt Elisabeth Lorenz vom Abwasserverband (AZV) Gemeinschaftskläranlage Großenhain. Doch ein Zweckverband sei nun mal keine soziale Einrichtung, sondern ein Dienstleister für die Abwasserentsorgung. Für die, die nicht umrüsten konnten oder wollten, sei jetzt die Wasserbehörde im Landratsamt zuständig.

Ein Spiel auf Zeit

Dort hebt Amtsleiter Peter Jönsson den Zeigefinger: „Eine weitergehende Gnadenfrist, auf die vielleicht der eine oder andere gehofft hat, gibt es nicht“, sagt er. Seine Behörde müsse nun „die erforderlichen Anordnungen nach pflichtgemäßem Ermessen treffen“. Doch das wird dauern. Konkrete Daten zu allen betroffenen Grundstücken würden erst Ende März vorliegen. Denn momentan werde noch der Antragsstau für wasserrechtliche Erlaubnisse abgearbeitet, der sich seit Jahresende angesammelt hat. Es ist also ein Spiel auf Zeit.

Gleichwohl werden von der unteren Wasserbehörde schon die ersten Anordnungen für die Säumigen vorbereitet. „Die Priorität wird unter anderem danach beurteilt, welche Art von Reinigung überhaupt erfolgt, wie der Zustand des Einleitgewässers ist, welche Mengen eingeleitet werden, ob sich der Verpflichtete weigert oder bei der Datenerhebung nicht mitwirkt“, so Jönsson. Unter Umständen müssten Verweigerer ihre Anlage sofort als abflusslose Grube betreiben. Vorher würden die Betreffenden noch einmal angehört. „Doch das ist mit Verwaltungskosten verbunden“, warnt der Amtsleiter. „Und mit Zwangsmittel-Androhungen unter Fristsetzung.“ Das könnte „richtig teuer“ werden, zumal auch eine Verfolgung als Ordnungswidrigkeit mit empfindlichen Bußgeldern möglich sei. Bei den Abwasserverbänden gehen deshalb noch täglich Abnahmegesuche für neue oder umgestellte Anlagen ein.

Das Prozedere wird nach Erfahrung der Verbände trotzdem manche nicht davon abhalten, die Sache weiter auszusitzen. Das hat nach Ansicht von Lothar Herklotz vom AZV Röderaue finanzielle bzw. soziale Gründe. Menschen ohne Einkommen haben weder das Geld, eine Umrüstung direkt zu bezahlen, noch sie über Kredit zu finanzieren. Sie bekommen dafür schlicht kein Geld von der Bank. Daran werden auch Androhungen und Anordnungen nichts ändern. „Auch wenn der AZV beratend zur Seite stand, sind gerade ältere und alleinstehende Menschen von dem Antragsverfahren und dem Vollzug oft überfordert“, weiß Elisabeth Lorenz. Das Jobcenter des Landratsamtes befasst sich deshalb schon mit einigen Fällen, in denen das Sozialamt z. B. die Kreditrate übernimmt. Rentner sind nicht darunter, denn deren Bezüge liegen oft über den scharfen Grenzwerten. „Wer Sozialleistungen bezieht und in den eigenen vier Wänden wohnt, kann Aufwendungen für die Instandsetzung erhalten“, begründet Kreissprecherin Musall. Damit wird die Bewohnbarkeit bei gesetzlich geänderten Standards sichergestellt. Sozial Schwache bekommen eine festfinanzielle Hilfe oder eben ein Darlehen, um die Anlagenumstellung finanzieren zu können. Ziel ist, dass die Bedürftigen in ihrem Grundstück wohnen bleiben.

Abflusslose Grube als Alternative

Alternativ könnten Grundstückseigentümer auf den Weiterbetrieb einer abflusslosen Grube setzen. Denn biologische Kläranlagen machen tatsächlich in besonderen Fällen Probleme. „Das ist dort der Fall, wo Einleiter starke Medikamente einnehmen müssen, die biozid wirken“, sagt Elisabeth Lorenz. „Dort kann es zum Absterben des Belebtschlammes in der Kleinkläranlage kommen.“ Wer zudem regelmäßig und großzügig mit Desinfektionsmitteln den Küchen- und Sanitärbereich reinigt oder Farbreste vom Renovieren und Haushaltchemikalien unsachgemäß entsorgt, kann die Reinigungsleistung einer Kleinkläranlage stark einschränken.

Dennoch raten die Mitarbeiter in den Zweckverbänden vom Weiterbetrieb abflussloser Gruben aus Kostengründen ab. Denn überall wird neu kalkuliert, und das Abfrachten des Klärschlamms wird sich vom Preis her mindestens verdoppeln. Beim AZV Röderaue wird diese Leistung gerade ausgeschrieben, man rechnet mit Kosten von 40 bis 50 Euro pro Kubikmeter Klärschlamm. Denn der muss nicht selten bis Dresden transportiert werden, weil hiesige Klärwerke ihn nicht mehr annehmen. „Auf die Dauer ist das auch preisintensiv“, heißt es beim Abwasserverband Röderaue.

Sind da die besser dran, deren Grundstücke zentral erschlossen werden? So wie dieses Jahr in Cunnersdorf oder 2018 auf der Dorfstraße in Rödern sowie 2019 in Freitelsdorf? Auch in Großenhain werden noch Straßenzüge an die Kläranlage angebunden. Deren Anlieger müssen aber Anschlussbeiträge zahlen. Die hängen von der Grundstücksgröße ab. Von den Gläubigern können sie gestundet werden. Denn wo nichts ist, da ist auch nichts zu holen.