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Als ob nichts gewesen wäre

Maik Aberle hatte einen schweren Autounfall. Dass er heute fast wieder auf eigenen Beinen steht, verdankt er auch einem Projekt des Wassersportvereins Lausitz.

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© Mandy Fürst

Von Mandy Fürst

Am Ufer des Geierswalder Sees ist eine Gruppe Männer und Frauen mittleren Alters ins Gespräch vertieft. Sie scherzen, lachen und sind sichtlich auf einer Wellenlänge. Es sind Segler vom 1. Wassersportverein Lausitzer Seenland. Sie verbringen jede freie Minute am See. Doch nicht jeder von ihnen ist so stabil, wie es erscheint. Seit 2013 hat sich der Verein mit dem Projekt „Wir sind Wir“ ganz bewusst der Einbeziehung von Menschen mit Behinderung verschrieben. Mancher ist damit geboren. Manchen hat das Schicksal erst im Laufe des Lebens vor besondere Herausforderungen gestellt. Kaum eine Geschichte erzählt das so deutlich wie die von Maik Aberle. Der Finanzdienstleister aus Schwepnitz ist in seiner Freizeit in den Geierswalder Wellen zu Hause. Eigentlich aber mag sein Körper es gar nicht, wenn die Umgebung schaukelt und wankt. Der sportliche 51-Jährige geht am Steg langsam in die Knie. Er legt sich auf den Bauch und zieht sich zu den Seilen, die seine kleine „Ostwind“ der Klasse 2.4 mR halten. Maik Aberle weiß, dass er dabei beobachtet wird. Und er setzt auf diese stille Sicherheit, die auf jene Art von Hilfestellung verzichtet, die ihn seine Autonomie kosten würden.

Die Eigenständigkeit ist Maik Aberles oberstes Gebot, seit er im Spätsommer 2012 aus dem Koma erwachte. Einige Tage zuvor hatte man ihn in Dresden nach einem Unfall mit ungeklärter Ursache ohne jedes Lebenszeichen aus dem Wrack seines Sportwagens gezogen. Zwei Prozent Überlebenschance gaben ihm die Ärzte, als sein Herz wieder schlug. Das Schädelhirntrauma Stufe III hat bis heute Folgen. Sobald sein Gehirn mit der Organisation einer Bewegung beginnt, verlässt ihn jegliche Körperbeherrschung. Sollte er beim Segeln eines Tages doch mal ins Wasser fallen, kann Maik Aberle gewiss sein, dass seine heimlichen Beobachter zur Stelle sind. Der Verein hat für Aberle und die drei anderen Behinderten extra dieses Boot beschafft. „Das Modell ist gut geeignet für Rollstuhlfahrer und Menschen mit Gleichgewichtsstörungen. Es ist durch den Kiel unkippbar und durch spezielle Schwimmkörper unsinkbar“, lobt Aberle sein Sportgerät.

Seinen ersten Solotörn begleiteten die Freunde mit dem Schlauchboot – in 20 Metern Abstand. So viel Feingefühl habe er zuvor selten erlebt, sagt Maik Aberle gerührt. Das alles verdankt er dem Inklusionsprojekt des Vereins. Die Zusammenarbeit basiere nicht auf Mitleid, hebt Vorstandsvorsitzender Klaus Wiegmann hervor. „Im Grunde hilft man ihm nicht. Man ist einfach mit ihm zusammen.“ Genau das braucht Maik Aberle und erklärt: „Zuerst muss ich selbst probieren, eine Lösung zu finden.“ Inzwischen ist der 51-Jährige sogar schon mehrere Regatten mitgefahren. Und das nächste große Ziel steht bereits fest: der Sportbootführerschein See.