Merken

Ahoj statt Gute Nacht

Immer weniger Deutsche wollen in Gaststätten und Hotels arbeiten. Die Jobs übernehmen jetzt andere, auch in Sachsen.

Teilen
Folgen
NEU!
© R. Michalk

Von Sebastian Kositz

Schleifen übers Kissen, Laken und Decke straff gezogen. Im Wellness-Hotel „Bei Schumanns“ in Kirschau nördlich von Bautzen legt man großen Wert auf die kleinen Details. Die Ansprüche im Vier-Sterne-Haus sind hoch, auch an die Zimmermädchen. Aufräumen, putzen, dekorieren – diskret und schnell. Bei Lenka Jarolimová sitzt jeder Handgriff. Seit etwas mehr als zweieinhalb Jahren arbeitet die 37-Jährige aus dem tschechischen Rumburk bei Schumanns. Als Housekeeper, wie Zimmermädchen heute genannt werden.

Jeden Tag pendelt Lenka Jarolimová zwischen Rumburk und Kirschau. 25 Kilometer hin und die gleiche Strecke zurück. Für die Region keine zu große Entfernung bis zum Arbeitsort. „Es ist sicher kein Traumjob, aber ich bin zufrieden“, sagt die alleinerziehende Mutter zweier Kinder.

Die Stelle „Bei Schumanns“ ist für Lenka Jarolimová ein Glücksfall. Und umgedreht ist aber auch sie ein Glücksfall für das Hotel und speziell für Steffen Nass. Seit fast zwei Jahrzehnten ist er bereits bei Familie Schumann an Bord, kümmert sich unter anderem ums Personal. Es ist noch gar nicht so lange her, da stapelten sich auf seinem Schreibtisch noch die Bewerbungsunterlagen. Steffen Nass brauchte sich nur die besten heraussuchen. Doch das hat sich plötzlich und sehr grundlegend geändert.

In der Branche reden die Verantwortlichen nicht lange um den heißen Brei herum. „Natürlich haben wir ein Problem mit dem Fachkräftemangel“, sagt Alex Hüpkes, der Präsident des sächsischen Gaststätten- und Hotelverbandes Dehoga. Gerade auf dem Lande sei es schwer, überhaupt noch Mitarbeiter zu finden. Die Berufe wie Koch, Zimmermädchen oder Kellner seien für viele nicht mehr attraktiv. „Das ist ein Problem des Gehalts und der Arbeitszeiten“, räumt Alex Hüpkes unumwunden ein. Zugleich würden wegen des demografischen Wandels immer mehr Leute fehlen.

„Uns ist vor zwei Jahren richtig bewusst geworden, dass es so nicht weitergeht“, sagt Steffen Nass. Der Markt, so sagt er, sei in Deutschland komplett abgegrast. Deshalb blickt Steffen Nass inzwischen weit über die nahen Landesgrenzen hinaus. Bis vor zwei Jahren gab es im Hotel gerade einmal zwei bis drei Mitarbeiterinnen aus den Nachbarländern. Inzwischen stammen im Schnitt zehn der insgesamt 75 Mitarbeiter aus Polen und Tschechien. Sie arbeiten wie Lenka Jarolimová als Zimmermädchen, im Service, in der Küche und im Restaurant, aber auch im Wellness-Bereich.

Steffen Nass hat vorwiegend gute Erfahrungen gemacht. Vor allem seien die Mitarbeiter aus dem Nachbarland belastbarer als viele deutsche Kollegen. Nur eines sind sie nicht: billiger. „Bei uns bekommt jeder entsprechend seiner Tätigkeit den gleichen Lohn“, sagt Steffen Nass. Anders ginge es auch nicht. Allen voran die Tschechen seien schnell wieder weg, wenn es anderswo mehr zu verdienen gibt. Sie wissen, was ein guter Kellner oder Koch hier wert ist.

Einer, der das Angebot und die Nachfrage genau kennt, ist Marc Henkenjohann. Der Gastronom aus Bad Schandau hatte für seinen Betrieb einst selbst aus Tschechien Mitarbeiter angeworben – und daraus ein Geschäft gemacht. Als privater Arbeitsvermittler bringt er tschechische Fachkräfte und deutsche Firmen zusammen – in allen möglichen Branchen. „Viele hängen noch immer der Vorstellung nach, dass sie mit tschechischen Mitarbeitern sparen können“, sagt der Arbeitsvermittler. Das sei schon wegen des Mindestlohns Quatsch: „Tschechen sind nicht billig – aber willig.“

Dass trotzdem das immer noch vorhandene Lohngefälle dies- und jenseits der Grenze eine Rolle spielt, will Steffen Nass aber auch nicht verhehlen. Die Einführung des Mindestlohns habe Deutschland als Arbeitsort zusätzlich interessant gemacht. „Ich nehme nicht so weite Wege auf mich und arbeite in einem Land mit einer anderen Sprache, wenn es sich nicht finanziell lohnt“, sagt Steffen Nass. Nicht jeder seiner Mitarbeiter aus dem Ausland hat einen so vergleichsweise bequemen Arbeitsweg wie Lenka Jarolimová. Eine Kollegin aus Polen fährt beispielsweise täglich 140 Kilometer.

Steffen Nass kann sich durchaus vorstellen, noch mehr Mitarbeiter aus Polen oder Tschechien einzustellen. Entscheidend sei die Qualität, sagt er. Und Lenka Jarolimová? Die denkt über einen anderen Job derzeit nicht nach. Ihr Chef dürfte da ganz sicher nichts dagegen haben.