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AfD-Politiker reist in den Irak

Erst sorgte die Reise einer AfD-Gruppe nach Syrien für massive Kritik. Nun gerät der sächsische AfD-Bundestagabgeordnete Ulrich Oehme in den Fokus.

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© AfD

Von Tobias Wolf und Thomas Kieschnick

Nach der umstrittenen Reise einer AfD-Gruppe in das von Diktator Baschar Al-Assad regierte Syrien gerät nun der nächste Bundestagabgeordnete der Partei mit einem offenbar nicht abgestimmten Ausflug in den Nahen Osten in den Fokus. Nach SZ-Informationen ist der sächsische Parlamentarier Ulrich Oehme in den Nordirak gereist – jedoch nicht im Auftrag der AfD-Bundestagsfraktion wie ein Mitarbeiter gegenüber der SZ erklärt. Es handele sich dabei um eine Privattour von Ulrich Oehme.

Am späten Mittwochnachmittag war der 58-Jährige in Dohuk im Norden des kurdisch kontrollierten Landesteils angekommen und war bis Freitag im Kurdengebiet. Auch die Abgeordneten-Gruppe, die sich in dieser Woche in Syrien aufhält, ist nach Angaben der Bundestagsfraktion privat unterwegs. Die AfD-Politiker hatten am Montag den regierungsnahen Großmufti von Syrien, Ahmed Hassun, getroffen. Dieser hatte 2011 für den Fall einer westlichen Militärintervention gedroht, Selbstmordattentäter nach Europa und Amerika zu schicken. Die AfD-Abgeordneten wollten mit ihrem Besuch auch ihre Forderung nach einer Rückkehr von Flüchtlingen nach Syrien unterstreichen.

Gegenüber der SZ sagte Ulrich Oehme am Freitag zunächst, dass die Reise rein privaten Charakter hätte, erklärte dann aber, sich ein Bild der politischen Lage im Irak machen zu wollen. Bei seinem Besuch traf er auf ein geistliches Oberhaupt der Jesiden und versuchte offenbar spontan Gesprächspartner bei den vor Ort tätigen Hilfsorganisationen und der Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) zu finden. „Ich habe mich bei der GIZ erkundigt, was Deutschland im Kurdengebiet geleistet hat“, sagt Oehme. Die Bundesrepublik habe einen Riesenanteil daran, die kurdische Regionalregierung dabei zu unterstützen, mit dem Flüchtlingsproblem fertig zu werden. Viele Jesiden und Christen lebten in der Region teils in illegalen Lagern. Momentan sei es ruhig in der Region.

Oehme ist römisch-katholisch, hat einen Ingenieusabschluss der Bergakademie Freiberg und arbeitet als selbstständiger Versicherungsmakler. In der Partei gehört er zum Bundesvorstand der „Christen in der AfD“. Im Bundestagswahlkampf war Oehme damit aufgefallen, dass er im Wahlkreis Erzgebirge II Plakate mit dem Satz „Alles für Deutschland“ aufgehängt hatte, einer früheren Losung der nationalsozialistischen SA (Sturmabteilung) im Dritten Reich. Die Losung ist in Deutschland verboten. Bis Ende Februar hatte Oehme in seinem Bundestagbüro den Pegida-Mitgründer Achim Exner beschäftigt. Exner hatte das Pegida-Organisationsteam 2015 nach einem Streit mit Lutz Bachmann verlassen. „Wir haben uns im gegenseitigen Einvernehmen getrennt, es hat einfach nicht gepasst“, sagt Oehme zu der Personalie.

Oehme ist im kurdisch-irakischen Dohuk mit Hatune Dogan unterwegs, einer umstrittenen syrisch-orthodoxen Nonne, deren Eltern in den 1980er Jahren aus der Türkei nach Deutschland flohen. Dogans Stiftung bringt nach eigenen Angaben Hilfsprogramme für arme Menschen auf den Weg. Die Stiftung kümmert sich demnach vor allem um Christen und andere im Nahen Osten verfolgte Minderheiten. „Wir sind schon lange miteinander verbunden“, sagt Oehme. Die Stiftung habe die Reise organisiert, er sei der einzige Parlamentarier in der Gruppe. Zu weiteren Begleitern wollte sich Oehme nicht äußern.

Das Auswärtige Amt in Berlin sei vorab informiert worden, sagt eine Sprecherin. Der Abgeordnete sei auf die Reisewarnung hingewiesen worden, wonach wegen der aktuellen Lage nach dem kurdischen Unabhängigkeitsreferendum und der Gefahr von Terroranschlägen von „nicht notwendigen Reisen“ in die Region abgeraten werde.

Kritiker werfen der Nonne vor, mit falschen Behauptungen und gezielten Übertreibungen pauschal den Islam zu diskreditieren. Weil sie die Religion mit dem blutigen Dschihadismus des so genannten Islamischen Staates gleichsetzen würde, distanzierte sich das syrisch-orthodoxe Patriarchat von der Nonne. In einer offiziellen Erklärung hieß es 2017, dass sie „nicht zur syrisch-orthodoxen Kirche gehört und das syrisch-orthodoxe Patriarchat auf keine Weise repräsentiert“. Es sei nicht das erste Mal, dass das Patriarchat sich von Hilfsorganisationen distanziert, die angeblich Spenden für verfolgte Christen sammeln.

Bei einer Veranstaltung des Vereins „Heimattreue Niederdorf“ in der Nähe von Stollberg hatte Oehme die Tour in den Irak bereits Ende Dezember angekündigt. Der Verein betreibt im Internet die Seite „Patriotenpost“ und einen „Patriotenshop“, in dem etwa schwarz-weiß-rote Strickmützen verkauft werden, eine in der rechten Szene beliebte Kombination mit den Farben des Deutschen Reichs.

Die Staatsanwaltschaft Chemnitz hatte gegen den Vorsitzenden ermittelt, weil in den Vereinsräumen Miniaturnachbauten des sogenannten Pegida-Galgens zum Kauf angeboten wurden. Das Original trug ein Pegida-Demonstrant im Oktober 2015 bei einer Kundgebung in Dresden mit der Beschriftung: „reserviert für Angela ‚Mutti‘ Merkel“ und „reserviert für Siegmar ‚das Pack‘ Gabriel“. Die Ermittlungen wurden eingestellt.

Allerdings hat das Landesamt für Verfassungsschutz rechtsextremistische Mitglieder des Vereins im Visier. „Der Verein selbst wird zwar nicht von uns beobachtet, einzelne Mitglieder aber schon“, sagt Sprecher Martin Döring. Diese würden im Verein geduldet. Es gebe eine erkennbare Strategie, dass Rechtsextremisten versuchen, Bürgerinitiativen in ihrem Sinne prägend zu beeinflussen. „Sollte diese Strategie erfolgreich sein und die Mitglieder sich mehrheitlich den Rechtsextremisten anschließen, könnte auch der Verein zum Beobachtungsobjekt werden“, sagt Döring.

Der AfD-Bundestagsabgeordnete Oehme hat nach Angaben des Vereins angekündigt, Anfang 2018 nach Syrien und in den Irak reisen zu wollen – den Angaben zufolge, um Rückführungsmöglichkeiten für Flüchtlinge zu prüfen. Nun vor Ort, sagt er: „Es ist sehr schwierig, die Lage einzuschätzen, es gibt viele Ethnien die überhaupt nicht mehr miteinander können und durch Isis heimatlos geworden sind.“ Er habe ausschließlich mit Christen und Jesiden in der Region gesprochen. „Nach Kurdistan braucht man eh keinen schicken, die sind voll von Flüchtlingen“, schildert er seine Eindrücke. Jesiden und Christen könnten noch nicht zurück in ihre Heimat, weil Städte wie das einst vom IS kontrollierte Rakka durch Bombardements zerstört wurden. Alle würden außerdem abwarten, wie sich die neue irakische Regierung positioniert.

Von der Regierung hat Oehme kein Besuchsvisum erhalten, obwohl Kurdistan Teil des Irak ist. Nach irakischem Recht droht beim illegalen Grenzübertritt eine Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr. „Nach Kurdistan kann man ohne Weiteres einreisen“, sagt Oehme. „Ich bin einfach durch die Grenze gegangen und habe einen Stempel bekommen.“ (mit SZ/uwo)