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Ärger um Bordelle

Ein neues Gesetz soll Prostituierte schützen. Halten sich alle daran, die in Görlitz sexuelle Dienstleistungen anbieten?

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© Archivfoto: Nikolai Schmidt

Von Ines Eifler

Görlitz. Barbara Lange hat sich nichts vorzuwerfen. „In unserem Haus sind die Anforderungen des neuen Gesetzes praktisch übererfüllt“, sagt die Vorsitzende des Görlitzer Privatvereins Hautnah, der in der Rosa-Luxemburg-Straße Zimmer an Prostituierte vermietet. Das Gebäude ihres Vereins entspreche vollständig den gesetzlichen Anforderungen an ein Bordell, auch wenn es keines ist. „Ein Bordell bietet ja neben sexuellen Dienstleistungen auch Barbetrieb und Tabledance an“, sagt Barbara Lange, „das haben wir alles nicht. Ich möchte auch nichts mit Alkohol zu tun haben.“ Dass hier Prostitution stattfindet, ist jedoch bekannt und erlaubt. Seit 2002 gilt Prostitution in Deutschland nicht mehr als sittenwidrig und kann in Städten mit mehr als 50 000 Einwohnern nur in bestimmten Teilen der Gemeinde aus Jugendschutzgründen verboten werden.

Nun aber ist das neue Prostituiertenschutzgesetz in Kraft. Darin ist unter anderem festgelegt, dass Prostituierte ihre Tätigkeit bei der jeweiligen Kommune persönlich anmelden und dass „Prostitutionsstätten“ bestimmte Mindestanforderungen erfüllen müssen. Für sexuelle Dienstleistungen genutzte Räume müssen über ein Notrufsystem verfügen, dürfen nicht als Schlaf- oder Wohnraum genutzt werden und die Türen müssen jederzeit von innen geöffnet werden können. Die „Prostitutionsstätte“ braucht eine separate Gästetoilette sowie Aufenthalts- und Pausenräume. Auch das sei beim Hautnah-Verein alles vorhanden, sagt Barbara Lange, die ursprünglich aus Bautzen kommt. Aber sie fragt sich: „Halten sich auch alle anderen ans Gesetz?“

Sie habe Hinweise darauf, dass sich in Görlitz an mindestens drei verschiedenen Adressen in ausgewiesenen Wohngebieten „tagaktive bordellartige Betriebe“ befänden. Unter anderem am Lindenweg, also in der Nähe von Spielplatz und Kindergarten. Tatsächlich geben die Frauen, die auf entsprechenden Internetseiten sexuelle Dienstleistungen gegen Bezahlung anbieten, mehrmals dieselbe Görlitzer Adresse und denselben Klingelnamen an, vor allem in Wohnhäusern in der westlichen Innenstadt. Einmal stellen sie sich als „kleines Team attraktiver Damen“ vor.

Barbara Lange selbst hatte 2011/12 versucht, Prostitution am Klosterplatz zu etablieren. Es gab viel Empörung wegen der direkten Nähe zur Schule und damit der Gefährdung des Jugendschutzes. Schließlich wurden ihr per Gerichtsbeschluss sämtliche Aktivitäten an diesem Ort, ob gewerblich oder vereinsmäßig, verboten, letztlich aus baurechtlichen Gründen. Das neue Domizil ihres Vereins in Görlitz-Rauschwalde ließ sie für die gewerbliche Nutzung umbauen und durfte dort Prostitution ermöglichen. „Auch weil wir jetzt in einem Gewerbegebiet sind, nicht im Wohngebiet.“

Barbara Lange fragt sich nun, ob „bordellartige Betriebe“ in Wohngebieten inzwischen geduldet seien. Sie wisse, dass diese Betriebe in der Innenstadt bereits anonym bei der Stadt Görlitz angezeigt wurden, aber nichts dagegen unternommen wurde. „Ich habe nichts gegen Konkurrenz“, sagt sie. „Aber ich fände es ungerecht, wenn anderen ungehindert erlaubt wäre, wofür man mich vor fünf Jahren beinahe aus der Stadt gejagt hat.“

Wulf Stibenz, Pressesprecher der Stadt Görlitz, bestätigt, dass solche anonymen Hinweise im Rathaus eingegangen seien. Rechtlich könne die Stadtverwaltung aber nur den Anzeigen nachgehen, die Bauordnung und Sicherheit betreffen, und das tue sie im Falle dieser Hinweise auch. „Aufgrund der laufenden Prüfung gibt es derzeit keine Auskunft über den Stand der Überprüfungen.“ In den genannten Fällen sei es aufwendig, die Durchführung des Gewerbes nachzuweisen. Erschwerend komme hinzu, dass die Wohnungsprostitution einzelner Personen bauordnungsrechtlich nicht relevant sei, da Prostitution nach der Gewerbeordnung nicht als Gewerbe gelte. „Entsprechend schwierig ist es, die Untersuchungen, Beweisführung und Haftbarmachung durchzuführen.“

Im neuen Prostituiertenschutzgesetz ist unter anderem genau geregelt, dass Betreiber einer Prostitutionsstätte ihren Betrieb mitsamt Betriebskonzept beantragen müssen und eine Erlaubnis nur befristet bekommen können. Für die Umsetzung des neuen Gesetzes ist die Stadt Görlitz aber noch nicht erkennbar zuständig. Das Gesetz ist auf Bundesebene zwar seit 1. Juli 2017 in Kraft, aber damit die Kommunen danach handeln können, ist noch ein Ausführungsgesetz nötig. „Das wird von der sächsischen Staatsregierung derzeit erarbeitet“, heißt es auf der Internetseite der Stadt Dresden. Es sei davon auszugehen, dass es am 1. Januar 2018 in Kraft tritt. „Dessen ungeachtet“, sagt Wulf Stibenz, „wird es eine zeitnahe Abstimmung mit dem Landkreis Görlitz geben. Auch betreffs der anonymen Hinweise.“