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Ärger auf dem Friedhof

Eine Bautzener Seniorin will zwei Vasen auf das Grab ihres Mannes stellen. Doch das darf sie nicht.

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© Carmen Schumann

Von Madeleine Arndt

Bautzen. Marianne Hofmann sieht sehr schlecht. Der einzige Weg, den sich die 83-jährige Bautzenerin noch zutraut, führt von ihrer Wohnung zum Taucherfriedhof. Dorthin geht sie fast täglich und stellt frische Blumen auf das Grab ihres vor vier Jahren verstorbenen Ehemanns. Dieser Besuch gibt ihr Kraft. Doch in letzter Zeit traut sich die alte Dame nicht mehr so recht auf den Friedhof. Sie fühlt sich von den Friedhofsgärtnerinnen schikaniert und hat Angst, sich falsch zu verhalten.

Renate Richter (l.) und Marianne Hofmann am Grab.
Renate Richter (l.) und Marianne Hofmann am Grab. © Carmen Schumann

„Was ich hier schon für Tränen vergossen habe“, sagt die 83-Jährige mit zittriger Stimme. Und fügt erregt hinzu: „Ich kann nicht leben, wenn ich nicht zu meinem Mann gehe und rechts und links einen Blumenstrauß hinstelle.“ Aber genau das ist der alten Frau untersagt. Ihre Schwester Renate Richter zeigt den Vertrag, der mit dem Taucherfriedhof abgeschlossen wurde. „Der Blumenschmuck beschränkt sich auf eine Steckvase und eine Blumenschale. Zusätzliches Ausschmücken der Grabstätte ist nicht gestattet und wird entfernt. Ausgenommen sind echte Grablichter (aus Wachs) an Geburts- und Todestag und zum Ewigkeitssonntag“, heißt es darin ausdrücklich in fettgedruckten Buchstaben. „Nur wem soll diese strenge Ordnung dienen“, wundert sich die Renate Richter.

Grabpflege durch Angehörige nicht erwünscht

1 500 Euro hat ihre Schwester für das Grab und dessen Pflege bis zum Jahr 2032 bezahlt. „Für uns ist das ein stolzer Preis“, sagt Renate Richter. Für Marianne Hofmann sei dabei eine Überlegung wichtig gewesen: Dass, wenn sie nicht mehr lebt, sich der Friedhof um das Grab kümmert und es nicht verwahrlost. Womit sie nicht gerechnet hat, war, wie wenig Handhabe sie zu Lebzeiten am Grab ihres Mannes hat und wie strikt die Friedhofsordnung umgesetzt wird. Sie habe sich einmal erlaubt, auf dem Grab Unkraut herauszureißen, da sei gleich eine Friedhofsmitarbeiterin auf sie zugestürzt „wie eine Furie“. Denn die Grabpflege ist Sache des Taucherfriedhofs. „Ich halte das hier nicht mehr durch“, sagt Marianne Hofmann und seufzt.

Immer müsse sie damit rechnen, dass ihre zweite Steckvase weggeräumt wird. Dabei halten es auch die anderen Besucher der Grabanlage nicht ganz so genau mit den Vorschriften. Statt einer Blumenschale wurden auf manchen Gräbern die Blumen eingepflanzt. Ab und zu liegen kleine Engelchen auf den Grabsteinen, stehen Laternen an den Gräbern. Das werde aber alles von den Friedhofsmitarbeitern einkassiert, beobachtet die Rentnerin.

Verwalter will nicht mit sich handeln lassen

„Wenn wir die Pflege machen, muss es sich für uns rentabel gestalten. Wir sind ein Dienstleistungsunternehmen“, betont der Verwalter des Taucherfriedhofs Robert Eckardt auf die Frage hin, warum die Vorschriften so strikt sind. Auch wenn Marianne Hofmann die verwelkten Blumen selbst wegräumt, möchte Eckardt bei der Seniorin keine Sonderregeln einführen. “Je mehr erlaubt wird, umso mehr müssen wir wegräumen. Es gibt keine Ausnahme, da lasse ich nicht mit mir handeln“, sagt er.

Laut Robert Eckardt hätte sich die Rentnerin vor der Bestattung nicht für die – wie er sagt „Schnäppchenanlage“ – entscheiden dürfen. „Sie hätte ein Wahlgrab nehmen können.“ Da sei es möglich, den Friedhof individueller mit der Grabpflege zu beauftragen. Allerdings wäre das Wahlgrab natürlich teurer geworden, bestätigt der Friedhofsverwalter.

„Ich kann diese Friedhofsordnung nicht nachvollziehen. Wem soll das dienen“, fragt Renate Richter kopfschüttelnd. Vom Friedhof in ihrem Heimatort kennt sie solche Reglements nicht. Sicher, seit Robert Eckardt hier ist, sei der Friedhof immer sehr ordentlich und die Wege gepflegt, bemerkt sie. „Aber eine Vase mehr bringt doch keine Unordnung. Und so ein Grablicht stört doch auch nicht und macht nichts kaputt“, findet Renate Richter, die ihre Schwester regelmäßig wieder aufrichten muss, wenn es Knatsch auf dem Taucherfriedhof gab. „Ich verstehe nicht, warum man einer alten Frau so was antut?“