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Abschied von Philipp

Die Urnenbeisetzung auf dem Waldfriedhof in Niesky hat viele bewegt. Vor fast einem Monat begannen Freunde, über Facebook nach Philipp W. zu suchen.

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© André Schulze

Von Sabine Ohlenbusch und Alexander Kempf

Panflötenmusik dringt durch die offene Tür nach außen. Vor der Trauerhalle auf dem Nieskyer Waldfriedhof stehen deutlich mehr Menschen, als der Raum selbst mit seinen 80 Plätzen fasst. Es ist der erste Frühlingstag des Jahres und Sonnenschein und zwitschernde Vögel bilden einen fast grausamen Kontrast zur Stimmung, die eigentlich Stille geböte.

„Heute müssen wir uns von einem wunderbaren Menschen verabschieden“, steht in der Facebookgruppe für den in Görlitz getöteten Philipp W., „der stets für alle da war, immer ein Lächeln im Gesicht hatte, der jeden so akzeptiert hat, wie er ist, und der immer einen Rat hatte.“ Seinetwegen sind rund 250 seiner Freunde und Familie an diesem Sonnabend zusammengekommen.

Die Traueranzeige hat den Termin der Beisetzung öffentlich gemacht, damit auch möglichst viele seiner Freunde an der Trauerfeier teilnehmen konnten. Das habe die Familie so entschieden, sagt Bestatter Steffen Haubold. Die Presse soll nicht mit auf den Friedhof kommen, um die Trauernden nicht zu stören. Die Stimmung an diesem Nachmittag dringt auch bis vor das weit geöffnete Tor.

Die Räume auf dem Friedhof Niesky hören bei anderen Trauerfeiern vermutlich andere Musik als an diesem Tag. Die Stücke orientieren sich sowohl am Musikgeschmack des Verstorbenen als auch vermutlich dem vieler Gäste – ihrer mit Bandnamen bedruckten Kleidung nach zu urteilen. Sie reichten von der erhebenden Melodie „You raise me up“ von Josh Groban, über den erschütternden Text des Toten-Hosen-Songs „Nur zu Besuch“ bis zum traurigen „Sleeping Sun“ von Nightwish. Ein Lied stach dabei aber besonders heraus. In seiner Trauerrede erwähnt Pfarrer Daniel Schmidt den Titel „Nothing Else Matters“ von Metallica. „Alles, worauf es ankommt“, daran erinnerte er die Trauergemeinde.

Manche von ihnen sind einen langen Weg gekommen, wie sie in der gemeinsamen Facebookgruppe teilen. „Was sind schon 736 Kilometer und acht Stunden Fahrt? Nichts im Vergleich zu dem, was uns genommen wurde“, schreibt ein Weitgereister. Die Trauer spricht aus den Worten aller Mitglieder. Viele fragen sich, warum der 24-Jährige so gewaltsam aus dem Leben kommen musste. An anderer Stelle in dem sozialen Netzwerk überwiegt ein anderes Gefühl. Besonders auf dem Profil der gleichaltrigen Görlitzerin, die des Mordes verdächtigt wird, zeigt sich die Wut, die zuweilen in Hass umschlägt.

Fast genau einen Monat ist es her, dass erste Nieskyer Freunde über Facebook nach Philipp W. zu suchen begannen. Sie machten sich Sorgen, weil sie ihn einige Tage nicht gesehen hatten. Bilder von ihm und seinem silberfarbenen BMW Kombi wurden geteilt. Die Polizei fand seinen Leichnam am Abend des 13. Februar in einer Görlitzer Wohnung in der Stauffenbergstraße.

Die Kriminalpolizei hatte die Wohnung der 24-jährigen Tatverdächtigen in Görlitz am Montagabend untersucht und stieß dort auf den Leichnam des vermissten Nieskyers. Was in der Wohnung in der Stauffenbergstraße vorgefallen ist, erinnert an einen schlechten Film. Der 33-jährige Tatverdächtige soll mit einem stumpfen Gegenstand mehrfach auf den Hinterkopf des Geschädigten eingeschlagen haben. Anschließend, so der Vorwurf der Staatsanwaltschaft, ließen beide Beschuldigte den Nieskyer auf dem Stuhl gefesselt in der Wohnung zurück, wo er verstarb. Mittlerweile steht fest, dass Philipp W. erstickt ist.

Am frühen Morgen des 13. Februar hatte ein Mann den Polizisten im Revier Görlitz von einem Sachverhalt berichtet, der sie auf die Spur des Vermissten führte. Beamte der Kriminalpolizei durchsuchten die Wohnung eines Dritten in einem Mehrfamilienhaus in Weigsdorf-Köblitz. In dem Ortsteil von Cunewalde trafen die Ermittler zwei Tatverdächtige an und nahmen diese vorläufig fest.

Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft Görlitz an die beiden lautet, das Opfer getötet zu haben, um in den Besitz von dessen Wagen und seiner EC-Karte zu gelangen. Vom Konto des Opfers sollen die Beschuldigten danach Bargeldbeträge im Gesamtwert von rund 2 000 Euro abgehoben haben. In Radeberg hatte eine Streife des Polizeireviers Kamenz schon vorher den BMW des Toten aufgefunden.