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Ab durch die Mitte

Die Autobahn 4 ist zu einer der wichtigsten Ost-West-Verbindungen geworden. Der milliardenteure Ausbau ist mit Eröffnung des Tunnels bei Jena abgeschlossen. Doch gebaut wird weiter.

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© dpa

Von Andreas Hummel

Westlich von Jena konnten Autofahrer bisher eine Reise in die Frühzeit der Autobahnen erleben. Die kurvige Piste der A4 aus den 30er-Jahren schlängelt sich steil den Berg hinauf; dabei rollte der Verkehr auf unterschiedlich hohen, durch Stützmauern getrennten Fahrbahnen. Wenn er denn rollte. Denn wegen vieler Unfälle gab es bei Autofahrern häufig Frust statt Nostalgie. Nun wird das letzte Nadelöhr auf einer der wichtigsten deutschen Ost-West-Verkehrsachsen gänzlich Geschichte. Und der aufwendige Ausbau der Autobahn 4 in Thüringen und Sachsen ist abgeschlossen: Am Donnerstag rollten die ersten Autos durch den neuen Tunnel bei Jena. Doch abgehakt ist das Verkehrsprojekt „Deutsche Einheit Nummer 15“ damit noch lange nicht.

3,5 Milliarden Euro sind nach Angaben des Bundesverkehrsministeriums seit Anfang der 90er-Jahre in den Ausbau der Autobahn 4 von der hessisch-thüringischen Grenze bis zur Grenze nach Polen geflossen. Damit wurde die Strecke großteils auf sechs Spuren erweitert und in Ostsachsen überhaupt erst auf vier Spuren neu gebaut. Denn dort endete die Autobahn einst hinter Bautzen. Auf Resten der Strecke lagerten Teile der staatlichen Getreidereserve der DDR in großen Hallen. DDR-Bürger erinnern sich zudem noch gut, wie man einst bei Stau schlicht wenden und auf der Gegenfahrbahn bis zur letzten Abfahrt zurückfahren konnte – Leitplanken waren Fehlanzeige.

Der vierfache Verkehr

Seit Öffnung der deutsch-deutschen Grenze ist der Verkehr auf der Strecke jedoch sprunghaft gestiegen, und ein Ende dieser Entwicklung ist auch wegen des Transitverkehrs nicht in Sicht. 1980 waren laut Ministerium auf der A4 bei Jena im Schnitt etwa 14.000 Fahrzeuge pro Tag unterwegs, 1993 waren es rund 45.000. Bis 2010 stieg die Zahl auf 58.000 und 2030 sollen es 66.000 sein, davon rund 15.000 Lastwagen.

„Die Infrastruktur ist der Blutkreislauf der Wirtschaft“, konstatiert Steffen Schulze, Fachmann für Unternehmensförderung bei der Industrie- und Handelskammer Erfurt. „Eine gute Verkehrsanbindung ist eine der wichtigsten Ansiedlungsfaktoren für Unternehmen.“ Dabei verweist er auf die zahlreichen Firmenneubauten unter anderem großer Logistik- und Automobilzulieferfirmen entlang der A4. Zwar habe es die Autobahn schon vor der Wiedervereinigung gegeben, doch sei sie so desolat gewesen, dass sie das heutige Verkehrsaufkommen nicht mehr hätte bewältigen können, erklärt der Fachmann.

Kritischer sehen Umweltschützer den immensen Autobahnausbau, weil Flächen versiegelt und Lebensräume zerschnitten würden. Dies trage erheblich zum Artensterben bei, sagt der Vorsitzende des BUND Sachsen, Felix Ekardt. Doch gerade der knapp zwölf Kilometer lange Neubauabschnitt westlich von Jena soll helfen, den Verkehr aus dem ökologisch sensiblen Leutratal, wo seltene Orchideen gedeihen, herauszuholen. Die bisherige Trasse wird dann zurückgebaut. Der Nabu Thüringen wertet das als Erfolg. „Die Zerschneidung des Tals wird aufgehoben, Tiere und Pflanzen können sich endlich wieder frei ausbreiten“, erläutert Verbandssprecher Jürgen Ehrhardt.

Die 385 Millionen Euro teure Neubautrasse zwischen Jena-Göschwitz und Magdala soll heute zunächst für den Verkehr in Richtung Erfurt freigegeben werden, Mitte November dann auch in Fahrtrichtung Dresden. Herzstück ist der gut drei Kilometer lange Jagdbergtunnel. Dessen Freigabe hat sich um rund zwei Jahre verzögert – unter anderem, weil unvorhergesehen Wasser einbrach und bessere Brandschutztechnik installiert wurde. Dabei ist das Projekt insgesamt erheblich teurer geworden. Beim Tunnelanstich 2008 war noch von 295 Millionen Euro die Rede.

Projekt bleibt unvollendet

Trotz Freigabe des letzten A4-Neubauabschnitts bleibt das Verkehrsprojekt „Deutsche Einheit Nummer 15“ unvollendet. Denn dazu gehört der Bau der Autobahn 44, die bei Eisenach von der A4 abzweigt und zur A7 bei Kassel führt. Doch da klafft eine gewaltige Lücke: Von der 69 Kilometer langen Strecke sind bisher nur 6,7 Kilometer fertig; ein Abschnitt wird gar komplett neu geplant. Und auch mitten in Thüringen steht ein weiteres Projekt an der A4 an: Der Ausbau des Hermsdorfer Kreuzes. Die Kosten dafür werden derzeit auf etwa 60 Millionen Euro geschätzt. Da gegen das Projekt noch geklagt werde, sei noch unklar, wann der Umbau beginnen könne, hieß es aus dem Ministerium.

Komplett durchgängig von Aachen im Westen bis Görlitz im Osten – wie einst vor Jahrzehnten angedacht – wird die A4 freilich auch künftig nicht. Es sei nicht vorgesehen, die Lücke zwischen dem Kirchheimer Dreieck in Hessen und Olpe in Nordrhein-Westfalen zu schließen, sagte die parlamentarische Staatssekretärin im Bundesverkehrsministerium, Katherina Reiche. „Die Autobahn müsste durch ein sensibles Naturschutzgebiet verlaufen, und das ist mit großem Aufwand und hohen Hürden verbunden.“ Für den Lückenschluss gebe es durch den Bau der A44 gen Ruhrgebiet auch „keine ausreichende Verkehrsnachfrage“ mehr. (dpa)