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97 Millionen Kilometer im Jahr

Unternehmer René Reinert aus Mulkwitz spricht über seine Verantwortung als Firmenchef. Seine Lkw-Flotte ist europaweit unterwegs.

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© Gernot Menzel

Von Constanze Knappe

Mulkwitz. Der Schleifer Ortsteil Mulkwitz liegt in der Mitte Europas. René Reinert schmunzelt ein bisschen bei der Vorstellung. Auf der Landkarte mag dies nicht so ganz zutreffen, wenn die Fahrer von dort aus Ziele in ganz Europa ansteuern, dann aber schon. An die 130 Mitarbeiter beschäftigt die Reinert Logistic GmbH & Co. KG allein an der Neustädter Straße. Der lange geplante Umzug ist definitiv vom Tisch. Seit die Lausitzer Energie Bergbau AG (Leag) im vorigen Jahr ihr neues Revierkonzept und damit den Erhalt von Mulkwitz verkündete, gibt es für Wegzug keinen Grund mehr. Den Mitarbeitern in Logistik, kaufmännischer Abteilung und Lkw-Werkstatt, von denen etliche zwischen Weißwasser und Hoyerswerda leben, dürfte ein Stein vom Herzen gefallen sein.

Unterwegs auf bundesdeutschen Autobahnen oder Fernverkehrsstraßen begegnet man überall den blauen Reinert-Trucks. Stationiert sind sie neben Schleife unter anderem in Lübbenau, Neuenhagen bei Berlin oder Bremerhaven, um nur einige der zehn Standorte zu nennen. Dass man beim Anblick der blauen Fahrzeuge und der Lagerhäuser sofort an das Unternehmen in der Oberlausitz denkt, ist Ziel des Firmenchefs. Seine Vision: das Unternehmen bis 2025 unter die Top 20 zu bringen. So jedenfalls ist es in dem für jedermann im Foyer der Schleifer Zentrale sichtbaren Leitbild formuliert. Die Reinert Logistic GmbH & Co. KG ist auf dem besten Weg dahin. 2016 wurde das innovative und sozial engagierte Unternehmen mit dem „Großen Preis des Mittelstandes“ geehrt.

Ganz klein hat René Reinert angefangen. Er erzählt davon, dass er 1989 seinen Lkw-Führerschein gemacht hat. Auf einem W50. Auf einem Grundstück in Schleife gründete er 1990 den Fuhrbetrieb. Ab 1995 standen die Lkws auf einem Gelände an der Reinert-Ranch in Trebendorf. Seit 1998 gibt es den heutigen Standort an der Neustädter Straße in Mulkwitz. Da sei vorher nur wilder Acker gewesen, sagt er. Investiert hat er dort eine Menge. Erst im Herbst ging auf dem Gelände eine moderne Lkw-Waschanlage in Betrieb. Mittlerweile verfügt das Transport- und Logistikunternehmen über 770 Fahrzeugeinheiten. Allesamt moderne Trucks mit Aufliegern, Anhängern oder Sonderausstattungen. Rechnet man pro Lkw täglich 550 Kilometer, sind es zusammengenommen pro Tag 423500. In einem Jahr mehr als 97 Millionen. Auch wenn die Zahl an sich unvorstellbar ist, René Reinert macht das Zahlenspiel mit, verdeutlicht es doch die Größenordnung und die Leistungen der Menschen dahinter.

Frauen für Männerberuf begeistern

Alles in allem sind mehr als 1250 Mitarbeiter bei Reinert-Logistic beschäftigt, darunter 180 in Verwaltung, Werkstatt oder sonstigen stationären Jobs und 25 Azubis in verschiedenen Berufen. Für den Verwaltungssitz in Cottbus habe er sich entschieden, weil es junge Leute in die Stadt zieht, die im ländlichen Raum kaum noch zu kriegen sind, sagt er. Etwa 1 000 seiner Mitarbeiter sind aber Kraftfahrer. Ein Job, der längst nicht mehr zu den Traumberufen gehört. Wenn ältere Fahrer in den Ruhestand gehen, werde es immer schwerer, neue Mitarbeiter zu finden. Dass 400 der Beschäftigten polnische Staatsbürger sind, ist ein Ausdruck dessen. Die Logistik-Branche hat wie andere auch mit dem demografischen Wandel zu kämpfen. Mit attraktiven Vergütungs- und Prämiensystemen sollen Interessenten für die Arbeit im Führerhaus gewonnen werden, heißt es. Planbarkeit und „Hometime“ nennt der Firmenchef als Maßnahmen, den Job erträglicher zu machen. Ziel ist, dass seine Fahrer im Fernverkehr nicht länger als eine Woche unterwegs sind. Auch deshalb plane er weitere Standorte in Deutschland. Sich außerhalb der Grenzen zu erweitern, ist für ihn aber keine Option. „95 Prozent unserer Geschäfte werden in Deutschland abgewickelt“, begründet der Logistikunternehmer.

„Woman at the wheel“ nennt er als weiteres Schlagwort der Personalentwicklung. Frauen am Steuer großer Trucks sind auf bundesdeutschen Straßen zwar noch immer die Ausnahme, für den Schleifer Unternehmer aber keine Besonderheit. „Sie machen bei uns einen guten Job“ sagt er. Dass die Firma sich an den Kosten für den Lkw-Führerschein beteiligt, könnte weiteren Frauen den traditionellen Männerberuf im Führerhaus eines Lkw schmackhaft machen. Die Arbeitszeiten ebenso. „Statt am Sonnabend bis 20 Uhr abends oder länger an der Kasse im Supermarkt zu sitzen, hätten sie am Freitag Feierabend“, erklärt er. Den Familien wäre das dienlicher, davon ist er überzeugt. Deshalb arbeite man daran, den Regionalverkehr weiter auszubauen.

Zurück in den Rennsport

Seit dem vergangenen Herbst hat das Unternehmen mit Stephan Opel einen zweiten Geschäftsführer. Neben der Gewinnung neuer Mitarbeiter stehen Digitalisierung und Sicherheit ganz vornean. Der zweite Mann im Unternehmenscockpit eröffnet Firmeninhaber René Reinert den Freiraum, nach einem Jahr Pause wieder seinem Hobby im Lkw-Rennsport nachzugehen. 2011 gründete er das Reinert-Racing-Team, ein Jahr später ging er das erste Mal selber an den Start. 2016 wurde er bei der FIA European Truck Racing Championship mit dem Team Europameister und Dritter der Einzelwertung. Den dritten Platz nimmt er sich auch für dieses Jahr vor. Leicht wird das nicht bei einem vollen Feld mit 20 Renntrucks und einigen Gastfahrern. Die Saison mit acht Rennen beginnt am 26./27. Mai in Italien. Die Startnummer 77 begleitet ihn schon länger und soll ihm auch 2018 Glück bringen.

Neben dem Motorsport ist Eishockey seine zweite Leidenschaft. Er ist einer der wichtigsten Förderer der Lausitzer Füchse in Weißwasser sowie Sponsor der Eisbären Berlin. Zudem fördert er das Team Blue Trucks. Eine Hobbymannschaft aus Lkw-Fahrern, die in der Landskron-Liga spielt. Gelegentlich trainiert er mit ihnen. Beteiligt ist der Unternehmer außerdem an einem Projekt zur künftigen Nutzung des einstigen Autohauses an der Bautzener Straße in Weißwasser. „Wir arbeiten noch an einem guten Konzept.“ Mehr möchte er dazu allerdings nicht sagen. René Reinert ist viel unterwegs als Geschäftsmann, Sportförderer, Motorsportler und in seinem sozialen Engagement. Wenn er von alldem mal abschalten will, dann gönnt er sich ein gutes Steak auf der Reinert-Ranch.