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85 Prozent für Frau Gajewi

So etwas gab es in der jüngsten Geschichte des Landkreises Meißen wohl noch nie: Die Bürgermeisterin von Priestewitz verlor geradezu erdrutschartig den Kampf um ihre Wiederwahl.

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© Klaus-Dieter Brühl

Von Catharina Karlshaus

Priestewitz. So etwas gab es in der jüngsten Geschichte des Landkreises Meißen wohl noch nie: Nach siebenjähriger Amtszeit hat Susann Frentzen am Sonntagabend geradezu erdrutschartig den Kampf um ihre Wiederwahl in Priestewitz verloren. Während die 38 Jahre alte Kommunalpolitikerin in allen 22 Ortsteilen gerade einmal 300 Stimmen holte, konnte ihre unabhängige Herausforderin Manuela Gajewi satte 1 591 Stimmen auf sich vereinen.

Ein Ergebnis, dass sich die Anwesenden kurz vor 18 Uhr nicht einmal in ihren kühnsten Träumen ausrechnen würden. „Wir sind heute extra aus Nürnberg angereist“, bekennt Elke Kutzsche. Gemeinsam mit ein paar Verwandten fiebert die Schwägerin von Manuela Gajewi aufgeregt der Auszählung entgegen. Immer mehr Menschen drängen in den Versammlungssaal der Gemeindeverwaltung. Dann endlich geht es los. Pünktlich 18.01 Uhr eröffnet Christina Wieltsch in ihrer Eigenschaft als Vorsitzende des Wahlausschusses die öffentliche Sitzung. Die sieben Wahllokale haben inzwischen geschlossen. Jetzt heißt es nur noch warten.

Dass das an diesem Abend auch ein Großteil der Bediensteten dieser Verwaltung tut, ist in Priestewitz längst ein offenes Geheimnis. Die meisten von ihnen haben Manuela Gajewi zur Kandidatur ermutigt, und hoffen aus den unterschiedlichsten Gründen auf die Abwahl der bisherigen Chefin Susann Frentzen.

Nahezu geräuschlos hat auch sie sich mittlerweile eingefunden. Steht nur wenige Schritte neben ihrer bisherigen Hauptamtsleiterin. Still und unbewegt vor sich hinschauend, die Anspannung aller Beteiligten scheint zum Greifen nah. Natürlich. Auch Susann Frentzen wartet auf das, was in den nächsten Minuten kommen soll. Ob die zweifache Mutter schon in diesen Momenten ahnt, wie schlimm es tatsächlich für sie werden wird?

Endlich ist es so weit. Katrin Forberger heißt die Zahlenfrau der Stunde und bringt um 18.10 Uhr die ersten Ergebnisse dieses denkwürdigen Abends: Die Zottewitzer haben sich demnach zuerst gemeldet. Sechs Stimmen gehen an Susann Frentzen, 119 an Manuela Gajewi. Ein Raunen geht durch den Saal. Weder die eine, noch die andere Kandidatin verzieht eine Miene. Drei Minuten später folgt das Votum aus Blattersleben. Wieder nur fünf Kreuze bei der Amtsinhaberin, 128 für ihre Gegenkandidatin.

Von nun an geht es Schlag auf Schlag. Die ehrenamtlichen Helfer in den insgesamt sieben Wahllokalen geben augenscheinlich ihr Bestes. Man will offenbar schnell wissen, wer die Geschicke der Gemeinde in den nächsten sieben Jahren lenken wird. Nachdem die Kmehlener Manuela Gajewi noch einmal 248 Stimmen beschert haben, fehlen jetzt nur noch die Lenzer. Im Vorraum stehen die Menschen inzwischen dicht an dicht, die 49-jährige Favoritin hält die Hände von Ehemann und Tochter als 18.34 Uhr der Jubel losbricht. Auch die Wahlberechtigten Lenzer haben sich mit 243 zu 22 Stimmen für die Verwaltungsfachwirtin aus Blattersleben entschieden. Manuela Gajewi ist mit überragender Mehrheit zur neuen Bürgermeisterin von Priestewitz gewählt worden. Noch während ihr die Tränen der Freude und Erleichterung über das Gesicht laufen, zieht sich Susann Frentzen kommentarlos ihre Jacke über. Gratuliert der Widersacherin mit einer Umarmung und – geht. Fast unbemerkt, ein wenig so, wie sie damals Ende September 2010 gekommen ist. Bereits zwei Stunden später wird ihr Facebook-Profil nicht mehr erreichbar sein. Das war’s.

Für sie hingegen fängt an diesem 5. November alles erst an. Manuela Gajewi schüttelt die Hände von Landrat Arndt Steinbach, seiner Stellvertreterin Janette Putz und dem früheren Verwaltungschef Ernst-Georg Rendke. Sie wird gedrückt und beglückwünscht von Gemeinderäten, Einwohnern und natürlich Elke Kutzsche. Die Nürnbergerin hat jetzt eine sächsische Kommunalpolitikerin in der Familie und strahlt übers ganze Gesicht. Eine Bürgermeisterin, die sich indes erst noch an den Gedanken gewöhnen muss, dass es wirklich geklappt hat. Allerdings: „Ich bin überglücklich und danke von Herzen allen, die mir auf dem Weg dahin geholfen haben!“