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23 Kinderehen sorgen für Streit

Abgeordnete werfen der AfD Populismus vor und der Justizminister will die Rechtslage überprüfen.

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© dpa

Von Gunnar Saft

Der Flüchtlingsstrom vom vergangenen Jahr hat auch in Sachsen für ein spezielles Problem gesorgt: Verheiratete minderjährige Flüchtlinge, die nun in Deutschland leben, wo in dieser Sache völlig andere Werte, aber auch andere Gesetze gelten.

Wie kompliziert das Thema ist, musste am Donnerstag vor allem die AfD-Fraktion erfahren, die eigens zum Thema eine Landtagsdebatte beantragt hatte. Bereits der dafür eingereichte Titel ging an der Realität vorbei: „Wenn Kinder heiraten (müssen) – 56 Kinderehen in Sachsen“. Fraktionschefin Frauke Petry musste dann nämlich einräumen, dass man bei der Auswertung entsprechender Unterlagen einem Missverständnis aufgesessen ist. Tatsächlich sind im Freistaat nur 23 Minderjährige als verheiratet registriert – alles Mädchen. Petry rechtfertigte sich, dass aber auch diese Betroffenen Hilfe und Schutz bedürften und deshalb einmal mehr die Politik gefragt sei. So müsse der Gesetzgeber nun dafür sorgen, dass das Mindestalter fürs Heiraten für alle auf 18 Jahre heraufgesetzt wird.

Für ihre Rede, in der sie auch immer wieder vor einem „Scharia-Import nach Deutschland“ warnte , erntete sie viel Kopfschütteln und noch mehr Kritik. So gaben ihr zwar alle anderen Fraktionen recht, mit den Kinderehen ein wichtiges Problem anzusprechen. Dann prasselte es aber Vorwürfe, sie bringe dabei einige Dinge bewusst oder unbewusst völlig durcheinander. Zum Beispiel handelt es sich bei den 23 Mädchen, von denen nur eines jünger als 16 Jahre ist, nicht ausnahmslos um Ausländerinnen, sondern in drei Fällen um deutsche Staatsangehörige. Tatsächlich ist auch hierzulande unter bestimmten Voraussetzungen bereits eine Ehe ab 16 Jahren möglich. Auch wiesen gleich mehrere Abgeordnete anderer Fraktionen darauf hin, dass im Ausland geschlossene Ehen auch in Deutschland erst einmal Schutz genießen und gar nicht pauschal aufgehoben werden dürfen. Über jeden einzelnen Fall dürften später allein die Gerichte entscheiden.

Gesetz über Burka-Verbot vorgelegt

Petry wurde deshalb vorgeworfen, mit ihrer Forderung weniger die betroffenen Minderjährigen im Blick zu haben als blanken Populismus. „Um Menschen- und Kinderrechte geht es Ihnen doch nicht. Sie wollen diese politische Debatte, um Stimmung gegen den Islam zu machen“, erklärte unter anderem Volkmar Zschocke, Fraktionsvorsitzender der Grünen. Dabei verwies er mehrfach auf Äußerungen von Petry in sozialen Netzwerken, die aus seiner Sicht allein für Empörung und Hass sorgen sollen. „Und das ist Ihnen leider auch gelungen.“  Einig zeigten sich Grüne, Linke, SPD und CDU, dass es sich bei Kinderehen um Menschenrechtsverletzungen handelt und den Betroffenen geholfen werden muss. Wie das aber künftig per Rechtsweg erfolgen kann, erläuterte Justizminister Sebastian Gemkow (CDU). Demnach arbeitet Sachsen bereits in einer eigens dafür gegründeten Bund-Länder-Kommission mit, um die Rechtslage der neuen Situation anzupassen. Geprüft würden mehrere Varianten. So sprach sich die CDU-Landtagsfraktion noch während der Debatte dafür aus, zumindest für Fälle, bei denen unter 14-Jährige verheiratet sind, diese Ehen automatisch fürs nichtig zu erklären.

Die AfD-Fraktion zeigte sich aber unbeeindruckt und legte am Donnerstag gleich mit einem weiteren Reizthema nach. Eingereicht wurde ein Gesetzentwurf, mit dem in Sachsen das Tragen von Burkas in der Öffentlichkeit verboten und mit Strafen belegt werden soll. Der Entwurf wurde in die Ausschüsse verwiesen. Diesmal gab es zumindest bei der CDU-Fraktion kaum Proteste, im Gegenteil. Der rechtspolitische Sprecher Martin Modschiedler: „Vollverschleierungen wie die Burka, die die Identität der Frau nicht erkennen lassen, widersprechen meiner Überzeugung nach einer offenen Gesellschaft, an der Mann und Frau gleichberechtigt teilhaben.“ Gebraucht würde eine offene Diskussion, wo Verbote nötig sind. „Ich halte es in öffentlichen Gebäuden wie zum Beispiel Schulen und Behörden für erforderlich, eine Vollverschleierung gesetzlich zu verbieten.“