Merken

127 000 Kilometer auf dem Rad

Mit 77 Jahren tritt Hans-Jochen Gramann noch täglich in die Pedale und sorgt für Ordnung an allen Radwegen im Kreis Meißen.

Teilen
Folgen
NEU!
© Norbert Millauer

Von Peggy Zill

Weinböhla/Meißen. Abradeln ist am 31. Dezember um 15 Uhr. Hans-Jochen Gramann legt dabei mindestens 30 Kilometer zurück – die letzten des Jahres. Dann verabschiedet er sich in die Winterpause. Aber nur kurz. „Am 1. Januar sitze ich spätestens um 10 wieder auf dem Fahrrad“, erzählt der 77-Jährige. Selbst Schnee und Eis können ihn nicht abhalten – es gibt schließlich Räder mit Spikes. Und vermutlich im Kreis keinen, der besser als Radwegewart geeignet wäre.

Seit 1996 befasst sich der ehemalige Sportlehrer mit den Radwegen in seiner Heimat. Damals gab es mehr oder weniger keine, die er mit seiner Mountainbikegruppe im Sportunterricht befahren konnte. Gramann begann, eigene Karten mit Strecken zu entwickeln. Als er 2004 in Rente ging, wurde er zum Kreisradwegewart ernannt. Nun arbeitet er im Auftrag des Landratsamtes. Ein unbezahlter Vollzeitjob. Seitdem hat er mehr als 127 000 Fahrradkilometer zurückgelegt. Zum Vergleich: Das ist als wäre er 144-mal von Weinböhla ans Ostseebad Binz geradelt – hin und zurück! Jede Tour ist protokolliert. Die Unterlagen füllen über 150 Ordner in seinem Arbeitszimmer und viel Speicher auf seinem Rechner. Sein Ziel: Die Radfahrer sollen die Natur und Orte links und rechts der Elbe kennenlernen. Denn der Elberadweg wird gut angenommen, aber es gibt noch viel mehr zu sehen im Landkreis Meißen.

Gramann hat in den vergangenen Jahren 28 Radrouten entwickelt, die von der Elbe ausgehen, in die Region und zurück zur Elbe führen. Zum Beispiel den Elbe-Nassau-Friedewald-Weg, den Heidebogen-Rundweg oder den Zilleradweg. Jeden Kilometer ist er selbst abgefahren, hat Namen und Logo entwickelt. Teilweise schraubt der Rentner auch die Schilder selbst fest. „Es geht um die radfreundliche Gestaltung des Kreises. Da will ich mitmachen“, erklärt der Weinböhlaer seine Motivation.

Die Arbeit hört nicht auf

Auch wenn der Radweg fertig konzipiert und ausgeschildert ist, hört die Arbeit für Hans-Jochen Gramann nicht auf. „Ich fahre jeden zweiten Tag und schaue auf verschiedenen Wegen, ob alles in Ordnung ist.“ Ein einziges Hinweisschild, das fehlt oder nicht mehr lesbar ist, könne schließlich der gesamten Route schaden. „Die Pflege, Wartung und Werterhaltung der Radroute ist die wichtigste Aufgabe“, so Gramann. Unterstützung erhält er dabei von ehrenamtlichen Helfern. Denn es wäre schade, wenn das Geschaffene in ein paar Jahren wieder verschwunden ist.

Damit der Landkreis und jede Kommune einen Überblick erhalten, hat Gramann seine Daten an sie übergeben. Im Landkreis gibt es 53 ausgeschilderte Fahrradrouten. Das ist genug, wie Gramann findet. Nummer 54 soll im Frühjahr eröffnet werden. Die Weinerlebnistour führt von Weinböhla nach Oberau und Niederau bis nach Meißen und an der Elbe zurück nach Sörnewitz. An der 26 Kilometer langen Strecke liegen zwölf Weingüter. Sein Beschilderungskonzept hat Gramann vorgestellt, aktuell befinde es sich in der Diskussion. Im Mai soll Anradeln sein.

Nachdem sich Hans-Jochen Gramann bisher auf die touristischen Radrouten konzentriert hat, will er sich nun auch um den Alltagsverkehr kümmern. Vor Kurzem wurde der Arbeitskreis Radverkehr Meißen ins Leben gerufen. Ziel ist es, für die Stadt ein lückenloses Radwegenetz zu entwickeln, das sicher, alltagstauglich und wirtschaftlich tragfähig ist. „Das wird natürlich Jahre dauern“, so Gramann. Schritt für Schritt müsse man vorgehen. Oder Tritt um Tritt. Denn natürlich wird Hans-Jochen Gramann die Strecken durch Meißen persönlich testen, um Verbesserungsvorschläge machen zu können. „So lange es geht, will ich die Dinge mitgestalten“, sagt der 77-Jährige. „Es gibt nichts Schöneres, als sich aufs Fahrrad zu setzen und sich zu bewegen. Man hat unterwegs viele schöne Erlebnisse und tut was für seine Gesundheit.“